Die chinesische Autoindustrie hat schon ein paar mal versucht, gegen die Übermacht der europäischen und US-amerikanischen Hersteller anzulaufen. Bisher sind sie stets gescheitert. Am Design, an der Technik, oft am fehlenden Kulturverständnis.
Doch der neuste Versuch könnte anders werden. Er trägt den Namen Byton.

Die neu gegründete Marke will den Automarkt neu erfinden.
Nicht weniger als das, hat das Team des potentiell baldigen Autobauers auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas jetzt ausgerufen. Die Form dieser Revolution ist ein rein elektrisches SUV. Der Inhalt des Byton-Aufschlags aber ist weit Größer.

Byton will fortschrittlichstes Auto der Welt sein

Denn das Auto ist nur die – durchaus schick gestaltete – Hülle einer Software. Und die ist, was der Marke Profil und Namen verleiht: Byton steht für Bytes on Wheels.

Aber kommen wir kurz zur Hardware, bevor wir uns damit beschäftigen, was Byton wertvoll macht.
Das fünf Meter lange SUV soll in der Standard-Ausführung eine Reichweite von 400 Kilometern mit einer Batterieladung haben. Eine zweite Version mit größerem Akku soll es auf bis zu 520 Kilometer bringen.

Das Exterieur-Design ist gefällig, fast schon schick. Es fällt weniger aus dem aktuellen, automobilen Gestaltungswerk heraus als ein BMW i3 oder Toyota Prius.

Im Innenraum jedoch tut sich eine neue Welt auf.
Dort nämlich regiert ein riesig dimensionierter Touchscreen, der sich mit einer Abmessungen von 1,24 Metern mal 25 Zentimeter horizontal durchs Cockpit zieht. Haptische Schalter sucht der Fahrer vergebens. Gesteuert wird die gesamte Elektronik im Auto per Touch-, Gesten- oder Audio-Steuerung.
Direkt im Lenkrad ist ebenso ein kleiner Monitor verbaut (wo haben die den Airbag?).
Digital soll das Byton-SUV mit jedem Computer, der neu im Laden steht, mithalten können. Das Auto ist an eigenes Cloud-System angebunden, soll sich mit allen möglichen Geräten der Insassen verbinden. Als Sprachassistent wird die Alexa-Software von Amazon integriert. Das Auto identifiziert den Fahrer über Gesichtserkennung und gewährt so – statt über einen Schlüssel – Zugang.

Das Auto soll nicht nur vernetzt, sondern auch intelligent sein. Künstliche Intelligenz soll es schlau machen, Software und Kameras autonom.

Und kosten soll das Ganze wenig. 45.000 US-Dollar will Byton – ohne Steuern.

Ehemalige BMW i Manager bringen Byton auf Tour

Geführt wird Byton von Carsten Breitfeld und Daniel Kirchert. Wie die beiden, kommen viele aus dem Management der neuen Marke von BMW und anderen deutschen Herstellern.
Breitfeld war vorher bei BMW für die Entwicklung des BMW i8 zuständig. Er machte den ersten Schritt und holte anschließend einige seiner ehemaligen Kollegen aus dem Vierzylinder zu Byton: Den BMW i Chef-Designer Benoit Jacob. Den BMW i Marketing-Chef Henrik Wenders. Und nicht zuletzt noch Dirk Abendroth, den leitenden BMW-i-Antriebsentwickler. Hinzu stieß auch Daniel Kirchert, der das Joint Venture BMW-Brilliance in China aufgebaut hatte, bevor er Infiniti-Chef in China wurde.
Auf der Software-Seite kümmert sich Wolfram Luchner um die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Luchner war vorher einer der führenden Köpfe beim Projekt für autonomes Fahren bei Google. Er steckt den Kopf zusammen mit Luca Delgrossi, der bei Mercedes für Autonomes Fahren zuständig war. Die Leiter für Produktion und Einkauf kommen direkt von Tesla: Ex-Toyota-Manager Mark Duchesne baute für Tesla das Produktionswerk auf, Stephen Ivsan war für den Einkauf zuständig.

Byton ist die Marke von Future Mobility – kurz FMC, einem chinesischen Start-Up mit finanzkräftigen, chinesischen Investoren. Darunter gewichtige Namen wie Tencent oder Foxconn.
Das Unternehmen ist international aufgestellt. Das Design und Fahrzeugkonzept werden in München – unweit von BMW – erkoren. Die Elektronik und Software für das Autonome Fahren entwickelt ein Team im Silicon Valley. Und der Einkauf sowie die Produktion werden in China Zuhause sein.

Byton will sich auf Technologie konzentrieren

Erstaunlich an Byton ist, dass es die Elektromobilität angeht wie BMW i. Das Auto ist die Hardware, das eigentliche Kernstück jedoch die Software.
Für wie austauschbar Byton die Hardware hält ist an zwei Dingen zu erkennen.
Zum einen, ist da die ganz klare Aussage Breitsfelds: „Wir betrachten unser Fahrzeug wesentlich mehr als eine Plattform als ein Auto.“.
Zum anderen wäre da der Umgang mit der Technologie selbst. Elektroautos zu bauen ist technisch gesehen kein Kunststück. So enthalten die Antriebe elektrischer Fahrzeuge wesentlich weniger variable und komplexe Teile als Verbrennermotoren. Zudem sind alle Teile über Zulieferer wie Bosch, Continental, Desno und ZF zu kaufen.
Und so kauft Byton sowohl den Antriebsstrang als auch die Akkuzellen einfach zu, statt sie selbst zu bauen. Damit verfährt Byton beim Batterie-Know-how wie schon BMW: Die Akkuzellen selbst werden gekauft, das Wissen, wie sie sinnvoll zu guten Batteriepaketen verschnürt und mit dem Lademanagement verkoppelt werden, wird selbst aufgebaut.

Byton scheint zu sein, was die ehemaligen BMW i Manager schon immer gern gemacht hätten. Wenn ihnen der Vorstand in München nach dem i3 bloß ein wenig mehr Freiraum gegeben hätte.

Der Weg wird steinig für Byton

Start-Ups, die ein günstiges Auto mit elektrifiziertem Antrieb versprachen gab es natürlich bereits einige. Fisker war einer der ersten, und scheiterte. Faraday Future war einer der letzten – und scheiterte, mit den Managern Stefan Krause und Ulrich Kranz an Bord. Auch die beiden kamen von BMW, wobei Kranz als Vater des BMW i3 gilt: er leitete zwischen 2007 und Ende 2016 das BMW Project i – die Entwicklung des Elektroautos i3 und dessen Karbon-Karosserie.
Byton jedoch hat Vorteile: neben den massiven Managment-Erfahrungen ist die Finanzierung im Gegensatz zu Faraday Future sicher. Und sie haben wichtige Kooperationspartner an Bord: zum Ende der CES-Präsentation stieg Jack Wey mit auf die Bühne. Wey ist Gründer von Great Wall Motors, Chinas führendem Hersteller im SUV und Pick-Up Segment.

Und so will ich fast glauben, dass Byton seine strafen Versprechungen halten kann. Denn der Zeitplan ist straf: bereits 2019 soll der Verkauf in China starten, ab 2020 dann in den USA und Europa.
Bei Tesla indes haben sie den Produktionsstart des Model 3 erneut nach hinten verschoben und hinken dem anvisierten Start der Serienproduktion bereits sechs Monate hinterher.
Bei Byton verspricht Breitfeld derweil gleich noch zwei weitere Fahrzeuge, die soll auf gleichen technischen Plattform gebaut werden. „In relativ kurzer Taktung“ (Zitat Breitfeld) sollen eine Limousine und ein Minivan folgen.

Der Wettbewerb schläft nicht

Der Zeitplan ist mutig, und der Wettbewerb steht in den Startlöchern. Tesla wird seine Produktion 2018 zwingend zum Laufen bringen müssen. Und die von Breitfeld offen benannten Wettbewerber Mercedes und BMW schlafen nicht (mehr).
Während BMW von der eigenen Courage um seine Sub-Marke BMW i überrascht und in den letzten drei Jahren wie gelähmt war, kommen die Bayern bis 2020 nun wenigstens mit einem rein-elektrischen MINI und X3. Mercedes will ab 2019 seinen rein elektrischen kompakten SUV unter dem Label EQ verkaufen. Und bei Audi wachen sie sicherlich auch bald mal auf …