Lange war die Internationale Automobilausstellung (IAA) die Vorzeigeschau der Industrie. Hier zeigten vor allem die deutschen Hersteller ihre neuen Modelle und Highlights – eben das, auf was man stolz war. Doch vieles hat sich geändert.

Die Industrie steckt in einem beispiellosen Umbruch.
Die Mobilität mit ihr. Und zum Schluss auch das öffentliche Meinungsbild.

Nach einer denkwürdig schlechten verlaufenen IAA 2019 – begleitet nicht nur von vielen Aussteller-Absagen, sondern auch Demonstrationen in Frankfurt – öffnet am 7. September eine neue IAA. Erstmals seit 1951 findet die Messe nicht mehr in der Main-Metropole statt, sondern in München.

Dort startet man mit einem neuen Konzept, frischem Optimismus und als erste Großveranstaltung „nach“ Corona in Deutschland. Eine echte Bewährungsprobe.

500 Aussteller, und kaum Autos

500 Aussteller preist die Münchner Messe gegenüber der Presse zuletzt in Aussicht gestellt. Auf der Webseite werden aktuell 355 Firmen gelistet.
Zieht man die Sub-Marken der Hersteller und einen schweizer Kleinsthersteller aus der Ausstellerliste ab zeigen sich im Jahr 2021 mehr Fahrradhersteller auf der IAA als Autobauer.

Ja, zum neuen Konzept der ehemaligen PS-Show IAA gehört es, dass es mehr als Autos zu sehen gibt. Auch deshalb ergänzte man das Kürzel IAA um den Appendix „Mobility“.
Dass aber selbst eine Volksmarke wie Opel mit dem eben erst vorgestellten, neuen Opel Astra fern bleibt, sollte Schockwellen durch das Planungsteam der IAA gesendet haben.
Statt dessen hat Opel den Astra, seinen neuen Chef und eine neue Strategie bereits auf einem Online-Event im Juni verkündet.
Noch vor vier Jahren undenkbar. Ein Affront gegen die IAA.
Heute ganz normal. Und das wird sogar offen kommuniziert: „Warum sollen wir die Aufmerksamkeit in München mit vielen anderen Marken teilen“, fragt der scheidende Opel-Chef Michael Lohscheller ganz offen. 

Noch dramatischer eigentlich: keine der Marken, die 2019 auf der IAA gefehlt hat ist diesmal wieder zurück. Sprich: keine der Marken scheint irgend eine negative Auswirkung festgestellt zu haben.

Die Industrie braucht die Messe nicht mehr wirklich

Apple und andere Tech-Unternehmen mit ihren Hausmessen machen es seit Jahren vor: Kommunikationsanlässe schaffen sich Unternehmen heute selbst. Da bedarf es insbesondere in einer von starken Marken geprägten Industrie keiner zentralen Messe mehr. Zumindest nicht gegenüber dem öffentlichen Publikum, nicht in der B2C-Kommunikation.
Dass die IAA nach wie vor wichtig für Fachpublikum ist: unbestritten. Sich insbesondere nach dem Corona-Jahr mal wieder „live“ zu sehen dürfte vielen Fachgästen ein wichtiges Anliegen sein.

Die neue IAA ist die erste internationale Großveranstaltung in Deutschland seit Beginn der Corona-Pandemie. Während das eigentlich im Anschluss geplante Oktoberfest ausfällt, will die Messe München die IAA .als „Happening mit Festivalcharakter“ mit aller Macht durchführen.
Ob ausgerechnet das zum Erfolg führen wird?
Vielleicht macht man sich aber gerade diese Hoffnung. Dass die Menschen heran kommen, weil es keine große Alternative gibt.
Die über die ganze Stadt gestreuten Events, Stände und „Erlebnisse“ dürften dank des offenen Konzepts mit ein bisschen Glück hohe Besucherzahlen suggerieren lassen. 

Bei der letzten Ausgabe der IAA in Frankfurt 2019 hatte es Proteste von Umweltschützern und einen sechsstelligen Rückgang der Besucherzahlen gegeben. Mit beidem muss der VDA auch diesmal wieder rechnen. Es wird fraglich, ob die Messe im südlichen München so viele Besucher aus ganz Deutschland anlocken wird wie das zentrale Frankfurt. Und Aktionsbündnisse wie „Sand im Getriebe“ formieren sich unter dem Motto #NoIAA bereits lautstark für neue Demonstrationen im Netz.

Neustart ändert nichts

Vor zwei Jahren habe ich geschrieben, warum die IAA sterben wird und Automessen ausgedient haben. Auch im neuen Konzept sehe ich keinen meiner damals aufgeführten Punkte irgendwie behoben oder gekontert. 
Die IAA – egal ob mit Mobility im Namen oder nicht – ist ein Event des letzten Jahrhunderts, wenig digital und noch weniger wirklich die Realität abbildend.

In einer Welt, in der Metropolen gern als Vorzeige-Schauplätze moderner Mobilität gezeigt werden, viele Menschen dank Gentrifizierung aber an den Stadtrand oder aufs Land gedrängt werden, ist das Auto nach wie vor wichtig – aber das Marketing und der Umgang mit ihm hat sich verändert.
Das Thema ist vielfältiger. Statt Schauen und Staunen ist es heute vor allem auch Er- und Aufklären. Ob das in Form einer solchen Messe möglich ist, während selbst in Autohäuser immer weniger Menschen strömen, weil sie sich im Netz informieren?

Am Ende stellt sich die Frage, welches Consumer-Publikum die IAA überhaupt anlocken will? Petrolheads finden weder die Marken noch die Themen vor, die sie interessieren. Urbane Menschen interessieren sich zunehmend weniger fürs Auto. Und alle dazwischen – ob die sich für „Mobilität“ zwischen Auto und Fahrrad dann genug interessieren, um Stände und Events quer durch die Großstadt zu jagen?
Ehrlich gesagt: ich zweifle daran.

Ich bin gespannt, welches Resümee am 12. September 2021 von Messe, Presse und Publikum gefällt wird.Meine Vorhersage: Nach ihrer Schrumpfkur in den letzten vier Jahren wird die IAA 2023 noch kleiner und spezieller – als ein Business-Festival …?!