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Normalerweise mache ich einen Bogen um die Bücher, die wochenlang auf der SPIEGEL Bestseller-Liste stehen. Vor allem, wenn sie als „Motivationsbuch“ daher kommen. „Das Café am Rande der Welt“ ist ein hervorragendes Beispiel wieso ich das tue: es ist einfach eines der nichts-sagendsten Bücher, die ich je gelesen habe. Trotzdem hält es sich – zum aktuellen Zeitpunkt – seit 432 Wochen auf der Liste, die meiste Zeit sogar auf 1. In der gleichen Kategorie liegt „Der Salzpfad“ seit 117 Wochen in der Bestsellerliste.

Der Salzpfad ist der Erstling von Raynor Winn, die danach noch zwei Nachfolger nachgeschoben hat.
Im Gegensatz zu John Strelecky mit seinen ewiglichen Café-Belanglosigkeiten verzichtet Winn darauf, die irgendwelche Lebensphilosophien aufs Brot zu schmieren.

Im Buch beschreibt Winn, wie sie und ihr Mann ihr Haus und Hof verlieren und aus Verzweiflung auf den South West Coast Path entlang wandern um zu sich zu finden und einen Plan für die kommende Zeit zu entwickeln.

Winn gelingt es dabei irgendwie ein Buch zu schreiben, dass man nicht mehr weglegen mag, dass einen teilhaben lässt aber nicht belehrt. Sie kommt nicht mit Universalsätzen daher, oder will den Leser besser machen. Sie schreibt einfach wie sie und ihr Mann wandern, welche Gedanken sie haben und was sie beobachten.

Hier und da merkt man, dass ihr Roman auf kurzen Notizen beruht, aber es ist eine tolle kleine Reise, die – ich bin kein Wanderer – mir wirklich Lust machte, mich direkt auch auf den Weg zu machen.

Am eindringlichsten fand ich im Buch stets die Absätze, in denen sich Winn mit dem Thema Obdachlosigkeit beschäftigt. Winn und ihr Mann sind obdachlos. Aber sie haben eine Aufgabe: den Pfad erwandern. Deshalb sind sie irgendwie auch nicht obdachlos. Und gleichzeitig sehen sie an vielen Orten, wie dramatisch die Lage in UK ist – und wie unterschiedlich Menschen reagieren wenn sich in den Erzählungen ein kleiner Fakt ändert: Wir haben unser Haus verkauft und wandern jetzt. Und: Wir haben unser Haus verloren und wandern jetzt.

Der Salzpfad liest sich zügig durch. Winn versteift sich nicht auf ausuferende Beschreibungen der Gegend, sie verzichtet auf Schnörkel und Schönheit im Text. Aber das macht das Buch nicht schlecht. Im Gegenteil. Ich habe es wirklich zügig gelesen, fand ihre Beschreibungen und Gedanken wirklich interessant und wurde – „gut unterhalten“ scheint mir hier falsch als Aussage, aber durchaus auch – inspiriert.

Leseempfehlung durchaus, wenn ihr mir versprecht dafür diese sinnlosen Café-Bücher von Strelecky zu ignorieren.

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