Eine Woche nicht allein: Sieben Tage Austauschschülerin
Vom 19.03. bis 26.03. hatten wir eine italienisch-senegalesische Austausschülerin Zuhause. Eine lehrreiche Zeit – und tolle Erfahrung.
Sechs Tage jemanden im Haus zu haben, den man nicht kennt, fühlt sich schon auch ungewohnt an. Ist ja etwas, dass man nicht dauernd erlebt. Doch am Ende dieser Erfahrung muss ich auch zugeben: das war schon toll, spannend und lehrreich - für alle hier im Haushalt.
Tag 1, Sonntag. Um 18:30 Uhr holen wir „unsere“ Schülerin ab. Sie steht bereit seit geraumer Zeit mit unserer Tochter via Instagram im Austausch - die beiden kennen sich also quasi. Wir hingegen begegnen jemand Neuem.
Der Abend ist recht scheu, aber die Chemie passt.
Tag 2, Montag. Wie an jedem Wochentag klingelt der Wecker früh um 6 Uhr, denn Schulstart im 15 Kilometer entfernten Gymnasium ist 7:30 Uhr. Normalerweise fahren die Kinder mit dem Bus, doch so viel Abenteuer wollen wir unserem Gast dann doch nicht zutrauen. Für diese Woche haben wir ein Auto gemietet und ich bin Chauffeur. Entsprechend geht es kurz vor 7 dann los zur Schule. Dort finden kurze Vorträge, Rundgänge und die Wochenplanung statt. Den Nachmittag verbringen die Austauschschüler ind en Famlien. Wir entscheiden uns spontan nach Leipzig zu fahren: Starbucks, eine kleine Stadtrunde, Abends dann Zuhause.
Tag 3, Dienstag. Berlin. Es geht wieder um 6 Uhr los. Die Italiener bekommen die ganze Packung deutsches Schulsystem - zumindest was die Aufstehzeiten anbelangt. Auch eine neue Erfahrung, denn in Italien geht es ein bisschen später los, wie berichtet wird.
Es geht mit dem Bus nach Berlin. 2 Stunden hin, drei Stunden Stadtrundfahrt, danach je zwei Stunden zu Fuss und wieder mit dem Bus zurück. Alle sind um 19:00 Uhr wieder da und ziemlich alle. Von der großen Stadt Berlin bleibt nicht viel Faszination, weil das meiste im Bus er_fahren_ wurde. Spaziergang am Mauerpark. Die Mall of Berlin beeindruckt nicht: Zuhause in Bergamo ist die Shopping Mall 105.000 qm, da können 76.000 qm wenig beeindrucken.
Abends soll es unbedingt McDonalds sein. Dabei stand im Begleitschreiben der Schule, man solle ruhig Deutsche Küche servieren. Gibt es bei uns eh selten – also beides, ur-deutsche Küche und McDonalds.
Tag 4, Mittwoch. Halle. Hier in der Gegend auch liebevoll Hölle an der Saale genannt. Händelstadt. Es geht verhältnismäßig spät los: Die Schüler müssen erst 9:15 Uhr in der Stadt sein. Es gibt eine Stadtrallye, ein bisschen Touristenrunde. Nachmittags dann steht eine von den Kindern selbst organisierte Bowling-Runde an. Ich bin um 18:30 Uhr wieder da und hole ab. Zuhause tatsächlich bis spät spannende Gespräche mit allen am Tisch. Tolle Stimmung.
Am Ende des Tages kommt die Tochter auf uns zu: „Schon krass - jetzt wo man sich gerade dran gewöhnt hat und anfängt was zu lernen, ist’s gleich wieder vorbei!“
Ich kann nur zustimmen: Sechs Tage sind irgendwie dann doch zu kurz …
Tag 5, Donnerstag. Dresden. Es geht wieder früh los, mehr Bus fahren. Dafür ist der Ausflug ins Grüne Gewölbe und die Frauenkirche für alle offenbar spannend. Die Gruppe kommt um 18:30 Uhr beseelt nach Hause und ist sehr zufrieden mit dem Tag.
Tag 6, Freitag. Während die Tochter einen Schulausflug in den Roten Ochsen Halle macht, durchlaufen die italienischen Schüler einen normalen Tag in der Schule. Am Nachmittag treffen sich alle und die Lehrer gehen mit den Kids gemeinsam Abendessen. Abholung und Zuhause dann Füße hoch für alle …
Tag 7, Samstag. Die „Host-Kinder“ und Ausstauschschüler des Jahrgangs haben sich in Leipzig verabredet. Es geht erst zum Völkerschlachtdenkmal, dann in den Zoo. Der hat an dem Tag ein Familienfest mit freiem Eintritt für die meisten der Gruppe. Am Abend geht es dann für uns als Familie ins Sushi-Restaurant - Wunsch des Gasts. Dann ab nach Hause. Dort schauen die Tochter und der Gast die letzten zwei Episoden der korenischen Drama-Serie, die sie diese Woche weggebinged haben und verschwinden für ein paar wenige Stunden um Mitternacht ins Bett.
Tag 8, Sonntag. Eigentlich kann man heute nicht als Tag zählen. Der Wecker klingelt um 4 Uhr. Ich bin vorher ein bisschen nervös, weil ich hoffe, mein iPhone macht die Zeitumstellung mit. Es ist nämlich eigentlich um 3 Uhr. Wir müssen um 5:15 Uhr am Bus sein, der die Kids zum Flughafen Berlin bringt. Also kurz ein kleines Frühstück, dann ab ins Auto. Um 5:15 Uhr stehen wir mit allen Austausschülern und frierenden Eltern zusammen auf dem Parkplatz an der Schule und warten auf den Bus. 15 Minuten später finden überall auf dem Platz kleine Verabschiedungen, Umarmungen und letzte italienische Abschiedsformeln statt. Alle in den Bus, ein letztes Mal winken. Und das Abenteuer Ausstausch ist für uns vorbei. Alle Eltern wünschen sich nochmal gute Nacht, steigen in die Autos und werden wohl das gleiche tun wie wir: Zuhause nochmal in die Federn sinken, während die Ausstauschschüler im Bus bis zum Flughafen seelig in den Sitzen ratzen … Für die Tochter geht es im September nach Italien - dann bin ich gespannt, welche Erlebnisse sie mit nach Hause bringen wird.
Für uns war es wirklich eine tolle Erfahrung. Ein bisschen raus aus der familiären Komfortzone, und doch gut. Unser Gast war eine tolle junge Frau, und ich bin gespannt, welche Erfahrungen unsere Tochter im Herbst beim Gegenbesuch machen wird. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, hier auch eine zweite Woche mit dran hängen zu können …
Text vom 29.03.2023 Uhr