Demokratiebildung: Schule? Elternhaus? Gesellschaft!
Im Zuge der Europawahl-Ergebnisse erstaunte viele (mich eingeschlossen), dass auch junge Menschen AfD wählen.
Manch eine:r flüchtet sich dann schnell in Statements wie: „Schulen haben versagt“.
Ich bin der Überzeugung, dass politische Bildung Zuhause stattfindet. Was wir an Bildung und Überzeugung Zuhause vorfinden bestimmt, wen und was wir wählen.
Schulen dürfen, können und müssen nicht inhaltlich beeinflussen – aber sie sollten zeigen, wieso politische Teilhabe so wichtig ist. Sie müssen zeigen, wie Medien funktionieren, wie politische Debatten funktionieren – und wie wir uns als mündige Bürger vor billigem Populismus schützen, statt auf ihn herein zu fallen.
Im neuen „Kinderreport 2024“, der im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks entstanden ist, wurden nun Jugendliche und Erwachsene zu ihren politischen Bildungs- und Vertrauensprozessen befragt.
Interessanterweise sieht die Mehrheit der Erwachsenen es dort wie ich: die zentrale Rolle bei der Vermittlung demokratischer Überzeugungen und Kompetenzen lägen im Elternhaus. 85 Prozent der befragten Erwachsenen finden das.
Kindern und Jugendlichen hingegen sehen das nur zu 60 Prozent, die Mehrheit (73 %) schiebt diese Aufgabe eher den Schulen zu.
Relativ gleich sind Kinder wie auch Erwachsene bei der Einschätzung, ob Jugendliche „kompetent genug sind, um an demokratischen Prozessen teilzuhaben“. Je die Hälfte beider Gruppen findet: Nein. Die einen wohl aus Abschätzigkeit, die anderen aus Selbstzweifel.
Ich würde übrigens mindestens 30 Prozent in Sachsen-Anhalt auch jegliche demokratische Kompetenz absprechen. Aber das ist ein anderes Feld.
Was ich richtig bedenklich finde, sind folgende zwei Aussagen des Reports – zitiert aus der ZEIT
- Einen der Hauptgründe, warum die junge Generation weniger zufrieden mit der Demokratie ist, sehen 77 Prozent der Kinder und Jugendlichen darin, dass es für sie kaum Vorbilder für demokratische Beteiligung und den Einsatz für die Demokratie gibt
- Zudem bieten sich nach Auffassung von 72 Prozent der Befragten zu wenige Möglichkeiten, sich politisch zu beteiligen
Hier müssen wir dringend handeln. Wir, die Parteien und die politischen Institutionen.
Wir müssen anfangen Kinderparlament zu schaffen. Die Jugend-Parteien müssen noch aktiver und jünger werden (der Vorsitzende der Jungen Union ist 33 Jahre alt (!), der Vorsitzende der JuSos immerhin „erst“ 28). Schulen müssen die Stunden an Sozialkunde erhöhen und zeigen, wie man sich auf regionaler wie auch bundesweiter Ebene als junger Mensch engagieren kann.
Nur so schaffen wir zu vermitteln, dass politische Teilhabe sein kann und im besten Fall auch funktioniert. Nur so schaffen wir, dass jener Verdruss, der zu einem 30% AfD-Wahlergebnis führt, aufgelöst wird. Weil dann niemand mehr von „denen da oben“ erzählen kann, denen man jetzt aller 4 Jahre mit einer Wahl mal einen „Denkzettel“ verpasst.
Wir brauchen mehr und laute politische „Key Opinion Leader“ – neudeutsch für „Influencer“ –, die nicht zwangsläufig einem Parteiprogramm sondern der Sache politische Bildung dienen. Haben wir mit Bio-Influencern, Herrn Anwälten und Steuerfabis doch auch geschafft?!
Text vom 14.06.2024 Uhr