"Für manche ist das Elektroauto vollkommen ungeeignet" - Eine Rant

Die ZEIT schreibt über eine Studie zu nachhaltigem Pendeln. Statt die Erfolge der Studie zu betonen schießen sich Zeitung und Studienleiter auf „ungeeignete E-Autos“ ein. Totaler Quatsch.

In der ZEIT erschien ein Interview mit dem Leiter einer Studie zum Pendel-Verhalten der Deutschen. In einem Experiment haben 40 Menschen versucht ihr Pendeln nachhaltiger zu gestalten – mit E-Auto, E-Fahrrad und ÖPNV.

Man hätte das Interview natürlich mit einem positiven Zitat übertiteln können:
Insgesamt pendeln nach dem Experiment drei Viertel der Teilnehmenden nachhaltiger als vorher
hat sich aber hierfür entschieden:
Für manche ist ein Elektroauto vollkommen ungeeignet

Und das nervt.
Weil es dieses Framing des einfach nicht praxistauglichen E-Autos aufnimmt und in eine Headline wirft, wohl wissend, dass der Normal-Facebook-Otto nur die liest und wieder was zu schimpfen hat.

Im Artikel dann darf Studienleiter Luca Nitschke erklären:
Für manche ist ein Elektroauto vollkommen ungeeignet – und zwar für die, die nicht zu Hause oder auf der Arbeit laden können. Die öffentliche Ladeinfrastruktur verlangt zu viel Planung: Wie voll ist die Batterie noch? Wann muss ich mein Auto zu welcher Ladesäule bringen? Was mache ich, während es lädt? Wann hole ich es wieder ab?

OK. Schauen wir mal.
Ich pendle nicht. Aber ich fahre seit Januar 2023 wenn ich mit dem Auto unterwegs bin nur noch elektrisch. Auch Langstrecken. Also, mal zu den Punkten Nitschkes, die meines Erachtens vollkommener Quatsch sind.

Wie voll ist die Batterie noch?
Die Frage ist schlichtweg banal und quatschig. Denn sie ist nicht E-Auto-spezifisch. Auch Verbrenner-Fahrer fragen sich das ab und an.

Wann muss ich mein Auto zu welcher Ladesäule bringen?
Ehrlich? Im besten Fall wie beim Verbrenner: bevor es leer ist.

Was mache ich, während es lädt?
Nun. Das ist wahrscheinlich eine der Dauerfragen, wenn es um E-Autos geht, oder? Neben der Frage, wo man lädt. Was mich an der Frage wirklich fuchst: Alle reden über Work-Life-Balance, und dass wir mal entspannen sollen, uns Zeit für uns nehmen sollen … Wir verbringen 30 Minuten auf dem Klo und scrollen durch TikTok – aber 30 Minuten an der Ladesäule warten, UM HIMMELS WILLEN UNZUMUTBAR!
Was ich an einer Ladesäule mache?
Ich trinke einen Kaffee & genieße die Ruhe. Schreibe Mails auf dem Handy. Nehme mein Fahrrad mit und radle eine Runde. Kaufe ein. Telefoniere. Lese ein Buch. Atme. Lass den Tag Revue passieren. Gehe spazieren.

Keine Ladesäule Zuhause oder auf Arbeit
Das ist in der Tat das aktuell einzig valide Argument, insbesondere wenn man eben nicht im eigenen Heim wohnt, oder in einem Mehrfamilienhaus in der Stadt. Auf der anderen Seite geht der Ausbau voran. Und es ist nicht so, als könnten wir nicht endlich einfach lautstark den Ausbau fordern. Erhebt die Stimme, fordert Ladeplätze auf Arbeit und im Supermarkt.
Überhaupt: Supermärkte. Das sind riesige Flächennutzer – wieso werden diese Parkplätze nicht dazu gezwungen mit Solarpanels und Ladeinfrastruktur ausgestattet zu werden? Witzige Idee? Dachte man sich in Frankreich auch und macht das zum Gesetz.
Und wieso sind Supermarktparkplätze Nachts zu?

Vor 130 Jahren gab es Benzin nur in Apotheken.
Die gleichen Scheinargumente hätte jeder Gottfried Daimler oder Henry Ford entgegen werfen können. Stattdessen wurden Tankstellen selbstverständliche Infrastruktur. Sowas kann man wiederholen. Ernsthaft.

Autobahnen und Verbrenner als Status Quo einfach hin zu nehmen und zu erklären, alle Alternativen seien nicht „zumutbar“ ist einfach der größte Schwachsinn.
Gerade auch das bestätigt ja die Studie: Wir können uns ändern, wenn wir wollen. Wir brauchen nur auch den Willen, unsere Umgebung ebenso zu ändern …

Es gibt begründete Diskussionspunkte, wenn wir über E-Autos reden. Rohstoffbeschaffung, Material- und Energieströme sind so Themen. Aber „Ich weiß nicht, wie ich eine halbe Stunde Zeit überbrücke, um ein Auto zu laden“ ist das fadenscheinigste, was ich mir in der Diskussion vorstellen kann!

Das Original dieses Artikels war ein Rant auf X / Twitter


Text vom 02.08.2023 Uhr

Hi, ich bin Thomas

Seit mehreren Jahren schreibe ich über Mobilität, Technologie und die Digitale Gesellschaft. Wenn du magst erfährst du hier mehr über mich.