TikTok-Verbot in den USA? Ein paar Gedanken … und wieso es unwahrscheinlich bleibt.

Das US-Repräsentatenhaus hat für einen Gesetzesentwurf gestimmt, der Bytedance – den Betreiber von TikTok – dazu zwingen soll, die App in den USA binnen 165 Tagen an einen heimischen Investor zu verkaufen. Somit würde man Bytedance in die Position bringen, den US-Teil von TikTok abtrennen und verkaufen zu müssen.

Woher der aktuelle Vorstoß kommt

Der neueste Vorstoß ist getrieben von einem Ausschuss aus Republikanern und Demokraten, die letzte Woche einen Gesetzesentwurf in das House einbrachten. In den USA wird aktuell verstärkt um die Themen China, Wahlsicherheit und Jugendschutz diskutiert.
In TikTok reiben sich alle drei Punkte wie nirgendwo anders.

Seit China so selbstbewusst auftritt sieht die USA die Volksrepublik als härtesten Gegner in der Geopolitik. Wirtschaft, Politik, Sicherheit … Aus dem Grund „Sicherheit“ untersagte die USA zum Beispiel die Einfuhr und den Verkauf von Huawei-Handys in den USA.
Die Sorge hier: Spionage.
Während Meta fleißig Daten im Ausland sammelt, sieht man in den USA nicht gern, wenn ein ausländisches Unternehmen das selbe in den USA tut. Weil TikTok zudem nicht ausschließen kann, dass man aus China Zugriff auf Nutzer- und Nutzungs-Daten von US-Nutzern bekommt, sieht man in den USA die App ebenso kritisch wie alle anderen chinesischen Produkte. Dabei ist der Vorwurf der ‚Spionage‘ ist dabei jedoch nach wie vor nicht nicht bewiesen.
Zwar hat man sowohl in den USA als auch in Europa Politikern untersagt, die App auf Dienstgeräten zu installieren – konkrete Beweise, dass die App wirklich spioniere liegen in beiden Ländern zumindest der Öffentlichkeit aktuell nicht vor.

Dann gibt es das Thema Jugendschutz.
Weil Social Media einen negativen Einfluss auf Jugendliche hat, sind in manchen US-Bundesstaaten Social Media-Apps mittlerweile gefordert, nach 22 Uhr Nudges an jugendliche Nutzer:innen zu senden, damit diese das Handy beiseite legen. TikTok soll zudem den inhaltlichen Jugendschutz – also das Verbergen von Inhalten – nicht gut genug verfolgen. In Europa hat man ähnliche Bedenken, weshalb die EU-Kommission erst vor wenigen Tagen ein Ermittlungsverfahren einleitete. Den Hammer eines Verbotes packte in Europa so direkt noch niemand aus.

Und dann ist da noch die Sorge, TikTok könne die bevorstehenden Wahlen beeinflussen. Die gilt es nach wie vor zu beweisen – vor allem auch, weil alle anderen Social Media-Plattformen davon nicht freizusprechen sind. Statt eine einzelne App zu verbieten, wären die USA (und auch Europa …) eher gut darin beraten, eine Regelung zur Eindämmung von Fake News, Bots usw. zu finden.

Trump mit Versuch in 2020 gescheitert … 

Im Hintergrund zieht der TikTok / Bytedance bereits die Lobby-Strippen.
Hauptfigur dabei ist Jeff Yass, der nicht nur selbst 15% von ByteDance hält, sondern seit Jahren auch Millionen-Summen in Wahlkampfhilfen für die Republikaner investiert. Er könnte auch der Grund sein, weshalb Donald Trump beim aktuellen Vorstoß für einen TikTok-Bann plötzlich die Seiten wechselt. Hatte der Ex-US-Präsident vor 4 Jahren noch selbst ein TikTok-Verbot für die USA ins Spiel gebracht und Bytedance gezwungen eine Kooperation mit Oracle einzugehen, sieht er den aktuellen Vorstoß anders. Laut Trump würde ein TikTok-Verbot wenig bringen, außer vor allem Meta zu stärken.

Seit dem Versuch durch Trump Bytedance unter Druck zu setzen, ist das Unternehmen um Transparenz und Abgrenzung bemüht. In den USA betreibt man Server mit Oracle und speichert Daten dort. In Europa baute man parallel Serverfarmen auf – mit dem gleichen Ziel. Denn auch in Europe regen sich seit eh und je Datenschutzbedenken.

Noch sind viele Fragen offen

Doch langsam.
Noch ist der Beschluss kein Gesetz oder TikTok-Verbot.

Der Beschluss muss nun erst durch den Senat – hier ist eine Hürde, ob der Senat überhaupt abstimmt. Dann, wie das Ergebnis aussieht.

Sollte der Senat positiv über den Entwurf abstimmen hat Joe Biden bereits signalisiert ein ihm vorgelegtes Gesetz mit einem potentiellen TikTok-Bann zu unterzeichnen.

Zuletzt war Montana gescheitert einen solchen Bann umzusetzen.
Der US-Bundes­staat Montana wollte TikTok ab Januar untersagen, verstieß damit jedoch gegen die US-Ver­fassung, so ein Bundesrichter.
Montana wollte das Herunterladen von TikTok untersagen. Jeglicher Akteur, etwa ein App-Store oder TikTok selbst, der den Zugriff auf die Video-Plattform möglich macht, soll 10.000 Dollar Strafe pro Tag zahlen. Nutzern hingegen sollten für Verstöße kein Bußgeld zahlen müssen.

Selbst wenn Biden das durch House und Senat beschlossene Gesetz unterschreibt bleiben Punkte unklar.

Denn die endgültige Eskalationsstufe ist nicht erreicht.

„Eine Kriegserklärung an TikTok“?

An manchen Stellen im Netz kann man lesen, das sei die erste Kriegserklärung eines Staates an TikTok.
Ganz so radikal ist es wohl nicht. Obgleich Indien und Indonesien beispielsweise TikTok verbannt haben, liegen dort andere gesetzliche Grundlagen vor. Indien hat – ebenso wie China – klare Regeln, die Unternehmen Aktivitäten auf dem Markt untersagen, sofern sie ausschließlich in ausländischem Besitz sind. In 2020 hat Indien nicht nur TikTok, sondern 90% aller chinesischen Apps die Betätigung auf dem Markt untersagt.

In China indes ist man von den US-Plänen nicht begeistert. Peking droht Washington mit „Ärger“ und kritisiert das „Mobbingverhalten“ durch die USA, bezeichnet es gar als „undemokratisch“ – was einen gewissen Witz hat, wenn man bedenkt, dass Apps wie Facebook, Instagram oder X von China aus nicht erreichbar sind.
In einer offiziellen Reaktion fordert Tiktok-Chef Shou Zi Chew die Nutzer auf, zu demonstrieren. Viele US-Creators schließen sich dieser Aufforderung an – sie sehen sich in ihrer Existenz und Arbeitsausübung bedroht.

Bleibt die die Frage: Was machen die USA, wenn sich Bytedance schlicht weigert, TikTok zu verkaufen?
China hat schlichtweg kein Interesse auf eine solche Forderung einzugehen – und hat dies auch bekundet. Für Bytedance und den Staat dahinter macht es weder wirtschaftlich noch geopolitisch Sinn, einer solchen Erpressung nachzugeben.

Was also kann die USA tun?
Sie könnten die App von Google und Apple aus den App-Stores verbannen lassen. Das würde die App noch nicht von allen 170 Millionen US-Handys löschen, auf denen die App installiert ist – und direkt zur Klage von Bytedance führen. Verhandlungsgegenstand: die heilige Kuh der Freien Rede. Wie groß muss eine App sein, damit sie sich als – um mal Elon Musks Sprech zu übernehmen – „Marktplatz der Stimmen“ nicht mehr wegklagen zu lassen?

Was sonst?
Das Betreiben von TikTok auf dem eigenen Handy zu haben? Der ultimative Eingriff in die freie Entfaltung.

So verurteilen Organisationen wie die American Civil Liberties Union, die sich für digitale Rechte einsetzen, den Vorstoß. Er würde Rede- und Meinungsfreiheit einschränken und die Rechte von US-Amerikanern verletzen, die TikTok nutzen um Informationen, Interessenvertretung und Unterhaltung zu finden.

Bliebe das Verbannen sämtlichen Traffics zu TikTok?
Eine Netzkontrolle ist in den USA kaum vorstellbar. Von der technischen Umsetzung einmal vollständig abgesehen.

Dass TikTok wie 2020 in Indien quasi über Nacht auch aus den USA verschwindet ist relativ ausgeschlossen. Die US-Regierung hat dazu nicht den notwendigen Einfluss auf die Infrastruktur (wie Indien, Russland oder China).

In Europa indes wird man sich die Schritte genau anschauen. Auch hier verschärft sich seit dem Inkrafttreten des DSA und DMA der Ton – allerdings nicht nur gegen Bytedance, sondern alle Plattformbetreiber.


Text vom 13.03.2024 Uhr / Letzte Aktualisierung: 14.03.2024, 22:42 Uhr

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