Während der Corona-Pandemie haben sich Menschen zunehmend von Nachrichten verabschiedet. Und spätestens seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs nimmt die Zahl derer, die ihren Nachrichtenkonsum drosseln, zu. Nicht nur in Deutschland. Weltweit. Und auch ich merke, dass ich auf Twitter zum Beispiel bestimmte Hashtags stumm schalte. Insgesamt ist mein Nachrichtenkonsum selektiver geworden.

Nachrichten zehren an unseren Kräften

In der Washington Post berichtet die Journalisten Amanda Ripley über das Phänomen und seine Hintergründe. Sie beginnt die Story mit der gleichen Feststellung, die auch bei mir dazu führte, dass ich weniger Nachrichten konsumiere: Sie fühlte sich ausgebrannt.
Und auch die deutschen Studien zeigen: Die „Hauptgründe für den Rückgang [des Nachrichtenkonsums] seien Themenmüdigkeit, das Hervorrufen schlechter Laune und Erschöpfung aufgrund einer Vielzahl an Informationen“. Das führt auch dazu, dass in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen nur noch 31 Prozent (bewusst) Nachrichten konsumieren.

Ripley schreibt – und ich kann es nachfühlen –: I used to spend hours consuming the news and calling it “work.” But something changed. The news started to get under my skin. After my morning reading, I felt so drained, lethargic, unmotivated, … […] Real life is depressing! There is a pandemic happening. Plus: Racism! Also: Climate change! And inflation!

Nachrichten, so Ripley, seien zu deprimierend. Zu schockierend. Zu laut, zu negativ, zu kraftzehrend, zu ungeeignet für uns Menschen: Today’s news, even high-quality print news, is not designed for humans.
Oder andersherum: Wir sind nicht gemacht für die Flut an Katastrophen, Schicksalen, Bildern und Videos die uns dank des Internets heute jeden Tag und oftmals ungefiltert erreicht.
Unser Gehirn kann unmöglich damit umgehen.

Drei Wege, wie Nachrichten besser gestaltet werden könnten

Ripley ist nicht allein mit diesen Feststellungen.
Und nach einigem Nachforschen formuliert sie drei Aspekte, denen Nachrichtenseiten – oder wir als Konsumenten, gesteuert – folgen sollten. Primär bedeutet es, den Ansatz unseres Konsums oder der Aufarbeitung von Nachrichten zu ändern.
Ja, Katastrophen klicken im Netz gut. Doch sie machen uns Menschen auch kaputt. Das muss aufhören.

1)
Wir brauchen Hoffnung.
Menschen brauchen Hoffnung, damit sie nicht deprimiert werden. Hoffnung macht uns gute Laune, gibt uns Kraft und Ausdauer.

2)
Wir brauchen Anleitung.
Hunderte Berichte über die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels oder Kriegs lassen uns rat- und machtlos zurück. Sie verleihen uns das Gefühl der Hilflosigkeit. Handlungsempfehlungen und Anleitungen können helfen. Sie können aus der „Wohin mit mir?“-Frage Aktionismus machen.
Als Konsument muss man diesem nicht folgen, sie eröffnen allerdings das Verständnis, dass es Möglichkeiten heraus gibt.

3)
Wir brauchen Würde.
Wir brauchen das Gefühl, dass unser Leben und Wirken „im großen Ganzen“ etwas wert ist. Dass wir wahrgenommen, gehört und gesehen werden. Dass unsere Anliegen genau so zählen wie die der von Krieg, Hunger und Katastrophen betroffenen.
Nur so verhindern wir am Ende auch Rassismus und Hass.

Wie Nachrichten besser sein könnten

Das Resultat dieser drei Punkte bedeutet nicht, dass Medien – und auch PR und Marketing – nicht mehr über schlechte Nachrichten schreiben können, sollten oder dürfen.
Aber sie zeigen Wege auf. Um Nachrichten – gute wie auch schlechte – zu übermitteln und Leser trotzdem mit einem Ergebnis zu konfrontieren, das nicht darin mündet, sie sich schlecht fühlen zu lassen.
Ein Weg, um Aktionen zu leiten, Empathie und Hoffnung zu vermitteln.

”Dank“ des Internets haben wir Zugang zu jeder Katastrophe, aus Dutzenden Perspektiven, in hunderten Interpretationen und tausenden Worten beschrieben. Oftmals laut, schrill und mit einer Agenda versehen, die sich uns nicht gleich erschließt.
Der Ukraine Krieg und Klimawandel sind hervorragende Beispiele dafür.

Journalismus muss dem Menschen zugewandt sein

Der Journalismus muss sich mehr dem Menschen zuwenden, schreib Ripley. Und gleichzeitig wir wieder dem Journalismus. Denn nicht zuletzt basiert Journalismus auch auf einem gewissen Vertrauen zwischen Sender und Empfänger.

Ob das zum Teil zerrüttete Verhältnis zwischen Journalismus und Volk wirklich wieder gekittet werden kann? Es wird Zeit brauchen. Vor allem aber eben auch Veränderungswille. Dass in Deutschland zum Beispiel nur noch ein Drittel der Menschen an neutralen Journalismus glauben, ist dramatisch.

Ich glaube aber, das lässt sich ändern.
Medien sollten weniger laut sein. Und vielleicht auch anfangen transparent zu vermitteln, warum ausgerechnet diese Nachricht eine Meldung wert ist? Welche Konsequenz eine Meldung hat. Welches Resultat man als Leser daraus mitnehmen kann?
Viele Artikel wären womöglich besser, wenn Redaktionen am Ende darunter erklären müssten, warum sie diesen Artikel schrieben.

Nachrichten gezielter zu konsumieren braucht manchmal Mut

Persönlich kann ich Ripleys Erfahrungen und Gedankengänge sehr nachvollziehen. Ein ‚informierter Bürger‘ zu sein bedeutet doch, Nachrichten zu lesen?!
Die Frage ist nur: Wie viel? Welche? Wann?

Mein geänderter Konsum ist kein Abkoppeln von der Welt.
Ich entscheide nur aktiver, wann mich Nachrichten einzuholen dürfen.

Ich habe keine News-Apps auf dem Telefon. Keine Push-Notifications.
Ich begrenze meine Zeit. Und ich habe mittlerweile den „Mut“, Hashtags auf Twitter aktiv stumm zu schalten.
Beispiel: Als das Feuer im Ewin-Gefängnis in Teheran ausbrach verwandelte sich Twitter binnen Minuten in einen Strudel aus Aktionismus, Video-Retweets, Meinungen und Bekundungen. Ich entschied mich dazu den Hashtag stumm zu schalten. Zumindest für die ersten 24 Stunden wollte ich nichts konsumieren. Nicht in dieses Rabbit Hole hinabsteigen.

Social Media und die jederzeitige Verfügbarkeit von Nachrichten, Beiträgen, persönlichen Einblicken und ungefilterten Bildern, Meinungen und Eindrücken trägt massiv dazu bei, dass wir vom Nachrichtenkonsum erschöpft sind. Niemand kann den Schmerz der Welt und jede Katastrophe im stundenlangen Dauerbombardement von Tweets, Breaking News und Tickern durchhalten.

Die Herausforderung

Mein herunter gedampfter Medienkonsum sind Tagesschau, vertrauenswürdige Quellen auf Twitter und die ZEIT.
Ich versuche zudem mich auf Nachrichten zu konzentrieren, aus denen ich für mein Leben etwas mitnehmen kann. Meldungen, die potentiell Einfluss auf mich oder meinen Job haben. Die mich nicht versuchen wütend, traurig oder aktionistisch machen wollen. Ich umgehe Medien, wie BILD, WELT, Focus und Co, die meine Gefühle triggern wollen.

Und so hart das in manchen Ohren klingen mag: Aber wie viele Raketen heute Morgen in Kiew eingeschlagen sind und welche Bilder daraus mit Schwerverletzten entstanden, gehört nicht mehr zu meinem Konsum. Nicht im Morgenmagazin, nicht online, nicht in den Abendnachrichten. Dass es welche gab, reicht mir an Information. Denn das Gefühl von Hilflosigkeit hilft in meinem Alltag nicht. Ich kann nichts mit diesem Wissen anfangen. Mein Mitgefühl für die vom russischen Angriffskrieg betroffenen ukrainischen Flüchtlinge stärkt oder schwächt es nicht.

Natürlich ist es ein schmaler Grat zwischen meinem Anspruch ein „informierter Bürger“ zu sein, meinem eigenen Anspruch von Bildung und dem aufkommenden Gefühl, wie viel Information und Nachrichten jetzt gut, gesund und sinnvoll sind.

Die Frage wird man wahrscheinlich auch nicht einfach beantworten können.
Ganz sicher aber sind auch Medien gefragt Nachrichten anders aufzubereiten. Weniger dem Klick oder Kick und mehr dem „sinnvollen Journalismus“ geschuldet. Ich will gar nicht nur gute News. Aber ich will auch nicht von einer riesigen Welle überschwemmt werden bei der Verlage und Medien es mir überlassen, zu filtern. Nur, um sich anschließend zu beschweren, dass ich mich ausklinke. Aber ich schaff es einfach nicht mehr.