Ich war dieser Tage in Seoul. Beruflich. Trotzdem bleibt es natürlich nicht aus, dass man in der Stadt unterwegs ist und Fotos macht. Damit die nicht nur in auf dem eigenen Handy bleiben sondern auch zu ein paar Freuden, daheim gebliebenen Kollegen und Familienmitgliedern wandern, landen sie auf meinem Instagram Account.

Allerdings schon seit geraumer Zeit nicht mehr im Feed sondern ausschließlich als Stories.
Als ich nun zurück flog kam per Twitter die Frage wieso denn bitte als Stories, die seien schließlich vergänglich.

Die Antwort ist einfach: weil ich anfällig für die Mechanismen der Plattformen bin. Ein Like-Junkie, der sich ärgert, wenn ein Bild nur drei statt der normalen zehn Likes bekommt. Oder ein Post auf Facebook nur einen Kommentar, statt die ihm (in meinen Augen zustehende) Diskussion. Oder zumindest drei Zustimmungen und ein Troll-Kommentar.

Ja. Ich arbeite als Social Director für Kunden, die diese Plattformen bedienen. Und Hi, mein Name ist Thomas und ich bin süchtig nach Social Media-Aufmerksamkeit. Aber ich weiss, dass ich süchtig bin und versuche die Mechanismen auszuhebeln. Genau deshalb steht dieser Text übrigens jetzt auch in einem Weblog ohne Kommentarfunktion statt auf Facebook.

Klingt alles komisch, ist aber so.
Denn ich merke an mir, dass es mich „verfolgt“ und stresst, wenn ein Bild oder ein Gedanke keine Aufmerksamkeit in Form von Likes oder Kommentaren bekommt. Und das ist vor allem natürlich eines: egoistisch.

Der Grund dieses Gedankens ist übrigens komplex. Denn ich bin ja nicht nur privat in Social Media unterwegs, sondern auch beruflich. Wenn also etwas nicht gemocht wird, dann kratzt das an meinem privaten wie auch beruflichen Ego. Obwohl ich auf der anderen Seite sehr wohl weiss, dass es mehr Gründe gibt, weshalb mein Bild keine Aufmerksamkeit bekommt. Weil es nur für mich schön ist, zum Beispiel. Oder weil es jemand sieht aber auf Instagram – so wie ich – überhaupt nur noch sehr sehr selten Inhalte liked. Oder, weil mein Bild dem Algorithmus nicht gefällt. Oder, oder, oder … Als Social Experte weiss ich das alles. Guter Content liegt im Auge des Betrachters. Und mit nunmehr 41 sind meine Augen schon eben auch ganz andere …

Trotzdem erzeugt es Druck. Die Sucht nach Endorphinen. Über diese Verbindung zwischen Social und Glücksgefühl wissen wir mittlerweile alle bescheid. Nur Gefühl und Wissen sind eben zwei Ebene.

Deshalb nutze ich Social Plattformen oder dieses Weblog hier mittlerweile anders. Und in Social gern auch jene Funktionen die vergänglich sind. Schnell durchrauschen. Und wenige offensichtliche Zahlen liefern.
Der endorphinsüchtige Teil meines Selbst muss sich bei Instagram Stories, Blog-Einträgen oder Twitter-Postings keine Gedanken um Likes machen. Oder um die bessere Engagement-Rate, weil den Beitrag zwar jeder gesehen aber keiner geliked hat. Die Lebensdauer eines Tweets ist 30 Sekunden. Wenn ihn bis dahin keiner gesehen hat, sind meine Freunde halt nicht online. Im Blog sind Reaktionen garnicht vorgesehen (im Ursprungskonzept eines Blogs übrigens verpönt!). Alles gut. Alles egal. Denn Twitter wie auch Instagram Stories oder Blog sind primär eine „Reinigung“ für mich. Sie erfüllen mein Mitteilungsbedürfnis und lassen den aufmerksamkeitsgeilen Teil meines Ichs gleichzeitig besänftig zurück. Und ja, das ist eine andere Baustelle: sozialer Exhibitionismus. Ein Abenteuer ist nichts wert, wenn man es nicht mit jemandem teilen kann. Aber da kümmere ich später mal drum. Vielleicht.

Jedenfalls. Ein Post auf Instagram verursacht Stress in mir, wenn er innerhalb von fünf Minuten keine Likes hat. Dabei helfen neue Features wie das Verbergen der Likes auf Instagram im übrigen überhaupt nicht – denn für mich ist die Zahl ja noch immer da.
Genau diese Zahl ist bei einer Story ebenso wie bei einem Tweet nicht so wichtig. Diese beiden Formate ebenso wie diesen Blog-Beitrag mache ich eigentlich nur für mich. Da setzt beim Upload der Endorphin-Kick ein, nicht beim Like. Dass Instagram diese Mechanik mit „Story-Reaktionen“ auch bereits wieder kaputt macht ist übrigens schlicht absurd.

Am Ende zeigt mein Gehirn mir selbst, wie kaputt das alles ist. Wie kaputt diese sozialen Medien sind. Und welchen Druck sie in einer Gesellschaft aufbauen, die von uns erwartet, dass du der perfekte, glückliche Selbstverwirklicher mit eigenem Personal Brand und social Erfolg bist.

Naja.
Wollt ich nur mal aufschreiben. Lasst ein Like da. Ach nee, geht ja zum Glück nicht.

Übrigens: Komplett aus Social Media zurück ziehen will ich mich nicht. Dafür gibt es diverse Gründe. Berufliche wie auch jene, dass ich in den letzten 20 Jahren über Social Media so viele tolle Menschen kennenlernen durfte. Mit denen tausche ich mich immer wieder gern aus – lerne, lache oder freue mich mit ihnen einfach. Selten lass ich denen übrigens mittlerweile selbst ein Like da. Sorry dafür. Ich hoffe, das stresst euch nicht.