Elon Musk kauft Twitter. Und das ist nicht unbedingt gut. Wieso und weshalb, steht unter anderem hier bei VICE oder hier in der TIME (inklusive brilliantem Cover). Oder auch hier im tollen Social Media Watchblog.
Im Zuge des Twitter-Verkaufs an der Welt most eccentric billionaire rückt nun einmal wieder die Frage eines demokratischeren – oder sozialistischeren – Internets in den Fokus. Einem Internet mit Plattformen wie Twitter oder Facebook, die eben nicht Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Sergey Brin und Larry Page gehören.
Und so betritt Mastodon einmal mehr die Bühne.
Erstmals auf Mastodon (=“Mamut“) bin ich 2016 aufmerksam geworden. Die Idee: die Schaffung einer dezentralen Twitter-Alternative. Nach dem „Hurra“ blieb nicht viel Aufmerksamkeit übrig. Bis 2018 Rechtspopulisten um Donald Trump dafür sorgten, dass Mastodon nochmal als ‚Twitter-Alternative ohne Nazis‘ in den Nachrichten landete – nur um zwei Wochen später doch irgendwie wieder vergessen zu werden.
Und 2022 nun erlebt das Netzwerk wieder einen Augenblick der Aufmerksamkeit.
Ob das Wachstum diesmal nachhaltig ist?
Die Chance könnte zumindest in den Nutzer-Kreisen da sein, die im Internet mehr sehen als schöne Bilder, witzige Videos und Amazon.
Ich sehe mit einigen Jahren Verzögerung in Mastodon dann mittlerweile durchaus eine gute Alternative zu Twitter. Auch, wenn der Vorteil des Projektes gleichzeitig sein größter Nachteil ist. Denn den dezentralen Ansatz versteht nicht jede:r Otto-Normal-Nutzer. Sie sorgt dafür, dass Dienste wie Mastodon nicht so bequem sind, weil es nicht „ein Mastodon“ gibt – sondern eigentlich viele. Die verteilen sich auf sogenannte Instanzen. Und da fangen die Fragen eben schon an. Denn welche Instanz – also welchen lokalen Server mit Mastodon-Installation (Erklärung: siehe weiter unten) – nutze ich eigentlich? Das geht weiter mit der Frage, wie ich Menschen von anderen Instanzen folge? Und das hört bei der wichtigsten Frage auf: Was passiert eigentlich mit meinem Profil, wenn meine von Hobby-Admins betriebene Instanz verschwindet?
Wie bei jeder großen Migrationswelle braucht es am Ende vielleicht einfach ein oder zwei große Figuren und Firmen. Einen Prominenten wie gestern Jan Böhmermann. Und vielleicht doch auch einen zentralen Player wie Mozilla, der eine vertrauenswürdige, sehr einfache Instanz ins Netz stellt, die gar nicht so sehr mit der Dezentralität sondern Simplizität wirbt.
So wie Apple und Spotify das mit Podcasts taten.
Das führte erstmal von der dezentralen Idee weg. Aber Menschen müssten die Twitter-Alternative auch gar nicht im ersten Schritt so richtig verstehen. Mastodon funktioniert am Ende wie E-Mail. Du suchst dir einen Anbieter aus, schreiben kannst du trotzdem mit jedem. Und umziehen geht auch einfach.
So ächzten dann gestern eben auch nicht die kleinen Instanzen unter dem großen Andrang, sondern die aktuell prominenteste Mastodon-Instanz mastodon.social. Dort schlugen die meisten Twitterer auf, die dieses (nicht ganz so) neue Mastodon nun mal testen wollen. Irgendwann rief die schon etablierte Mastodon-Community gar dazu auf „auch andere Instanzen zu nutzen“ um mastodon.social zu entlasten.
Und die Idee von Mastodon ist gut. Richtig gut.
Sie ist eigentlich wie ein Blog-Service mit Trackbacks. Die Älteren erinnern sich: das ist ein längst vergessenes Protokol, um unabhängige Weblogs miteinander zu vernetzen.
Denn Dezentralität bedeutet Unabhängigkeit. Zum Beispiel von Elon. Oder Mark.
Mastodon eine nachhaltige Alternative?
Ich weiss ehrlich gesagt noch nicht, ob mir Mastodon wirklich gefällt. Ich habe mich in den letzten Jahren wenig damit beschäftigt, meinen Account von 2016 irgendwo verloren. Und dann – ich gebe es zu – fällt es doch auch schwer sich nach 15 Jahren von Twitter zu verabschieden.
Ich werde wohl beide Netzwerke einmal für eine Weile parallel nutzen. Und schauen, wo Elon hin manövriert. Ich liebe auf Twitter, was ich dort finde alles finde: Nachrichten, Meinungen, Trolle und Bots. Mastodon fehlt noch die kritische Masse und die leichte Auffindbarkeit von Menschen und Themen. Es muss sich zeigen, ob die große Zahl der Neu-Mamuts dafür sorgen kann, diesen kritischen Punkt in den nächsten Wochen zu überwinden.
Ich bin bei Mastodon übrigens als @gigold@mastodon.social zu finden.
Links: Was ist Mastodon, das Fedivers und wo fang ich an?
Was ist eigentlich eine Instanz?
Mastodon ist ein verteiltes System. Das sorgt dafür, dass es keine zentrale „Machtstruktur“ gibt. Aber es bedeutet auch, dass es nicht „den einen“ Mastodon-Dienst gibt. Man muss sich selbst einmal kurz fragen, auf welcher Instanz man jetzt los-tröten (Mastodon = Mamut) will. Hier findet man die richtige Instanz von Mastodon für sich.
Eine Instanz ist im Grunde eine lokale Community, die sich mit den anderen ganzen anderen Mastodon-Instanzen über die Grenzen hinweg austauschen kann. Man muss sich das vorstellen, als wären Instanzen Dörfer zwischen denen Telefonleitungen gespannt sind. Man wohnt in einem Dorf, kann sich per Telefon aber mit jedem anderen Dorf vernetzen und dort auch Leute anrufen, denen folgen und antworten.
Erklär mir Mastodon als wäre ich fünf
Hier erklärt Heise Mastodon Schritt für Schritt.
Was ist jetzt schon wieder ein „Fedivers“?
Wie gesagt besteht Mastodon aus vielen miteinander vernetzten Dörfern. Dieses Netzwerk – in dem es Mastodon-Dörfer wie auch andere Dörfer mit weiteren Diensten wie Alternativen zu YouTube oder Instagram gibt – nennt man Fedivers.
Was es damit auf sich hat und wie man die ersten Schritte mit Mastodon macht, hat Mike Kuketz toll aufgeschrieben.
Und welche Dienste in diesem „Fedivers“ lassen sich sonst so nutzen?
Heise listet „gute, wenn auch anstrengende Alternativen“ zu den etablierten Social Media-Größen und bringt damit auch ein bisschen das Problem mit dem Fedivers auf den Punkt: Es braucht etwas mehr Einsatz und Willen, als sich schlicht nur irgendwo mit einer Mail zu registrieren. Aber vielleicht wäre jetzt eben der Punkt, den Willen mal aufzubringen.