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300 Kilometer mit dem Fahrrad durch die Nacht

Midsommar. Die kürzeste Nacht.
In den letzten zwei Jahren habe ich mir an diesem Tag mit dem Fahrrad immer eine etwas längere Tour gegönnt. Letztes Jahr war ich 230 Kilometer in meiner alten Heimat unterwegs. Dieses Jahr wollte ich einmal die Nacht zum Tage machen.

Midsommar wäre eigentlich von Freitag auf Samstag gewesen. Weil ich aber an beiden Tagen familiäre Verpflichtungen habe, dafür jedoch Donnerstag feiertagsbedingt frei hatte, fiel meine Wahl auf den Donnerstag.
Recht spontan entschied ich mich am Montag: Ich nehme mir 300 Kilometer durch die Nacht vor. Start um 21 Uhr (nach einem normalen Arbeitstag) und Ankunft irgendwann 12 bis 15 Stunden später wieder Zuhause.

Gedacht, gemacht.
Der Tag war nicht zu heiß, die Nacht sollte früh Morgens gegen 5 Uhr mit 16 Grad am kältesten sein und dann am nächsten Tag nur bis ca. 22 Grad nach oben gehen. Perfekt für eine Tour.

Gegen 22 Uhr ging die Sonne unter

Meine größte Herausforderung: alles Essen und Trinken musste mit. Denn mein Weg führte aufgrund der guten Rad-Infrastruktur und des eher flachen Profils von Halle bis kurz vor Potsdam und zurück. In der brandenburgischen Ebene rechnete ich jedoch nicht damit, dass Tankstellen rund um die Uhr geöffnet hätten.

Also packte ich insgesamt 3 Liter Wasser (2,5 damit mit Maltodextrin - meinem primären Kohlehydratlieferant), 2 RedBull, ein paar Schokoriegel und 4 belegte Brötchen ein. Dazu kamen die normalen Pannnengeschichten, 5 Euro in bar (die Elbe überquerte ich um Mitternacht auf der Brücke bei Wittemberg und um 7 Uhr weiter östlich mit Fähre), Beinlinge und Armlinge. Und los ging’s ….

Um 21:15 Uhr schwang ich mich aufs Fahrrad und radelte in den Sonnenuntergang.
Es war meine erste Fahrt über 300 Kilometer und meine erste Fahrt durch die Nacht. Entsprechend „sacht“ ging ich es an. Mein Ziel war ein steter niedriger Puls und wenig körperliche Belastung. Zum einen, um durch die Nacht zu kommen. Zum anderen, weil ich am Freitag fit sein musste.

Gegen 22:30 Uhr wurde es langsam dunkel. Nach 80 Kilometern machte ich meinen ersten kurzen Stop bei der Elbüberquerung, knabberte eins meiner Brötchen und zog nach 5 Minuten weiter. Bei Kilometer 100 machte ich kurz Stop in einem Wald und genoss die absolute Stille, die sich über die Nacht gelegt hat. Kein einziges Geräusch drang zwischen den hohen Kiefern durchs Dunkel. Leider war die Nacht auch bewölkt, weshalb der Blick in die Sterne hier draußen verborgen blieb. Nach 10 Minuten ging es weiter durch die Nacht. Gegen 2:50 Uhr schimmerte die Sonne bereits am Horizont langsam durch. Eine halbe Stunde später riefen die ersten Vögel den Anbruch des neuen Tages aus. Um 04:20 machte ich nach rund 170 Kilometern meine nächste kurze Pause, verdrückte ein Brötchen und ein paar Gummibärchen. Und während ich da einsam in einem kleinen Waldstück stand kam ein Dachs über die Straße gewandert, stoppte ungefähr 30 Meter vor mir, hob die Nase und verschwand wieder im Gebüsch, nachdem er mich gewittert hatte.

Gegen 3:30 Uhr Morgens

Um 05:00 Uhr war es mittlerweile so hell, dass ich das Licht am Rad ausmachen konnte. 200 Kilometer waren geschafft. Zwei Stunden später setzte ich per Fähre über die Elbe. Ab da kam dann allerdings Wind auf und blies mir vehement von rechts oder vorn ins Gesicht. Das machte die letzten 50 Kilometer schon noch einmal zu einer kleineren Herausforderung, gegen 10:40 jedoch erreichte ich nach 310 Kilometern und 13:26 Stunden wieder mein Zuhause (inklusive Bäcker-Besuch 1 km vor Zuhause).

Insgesamt saß ich die 11:46 Stunden auf dem Rad, blieb in meinem Puls-Zielfenster und kam auf einen Schnitt von 26,4 km/h.
Grundsätzlich wäre die Tour noch ein bisschen schneller möglich gewesen. Allerdings war – wie eingangs erwähnt – ja eher das Ziel, gemütlich durch die Nacht zu kommen.

Sonnenaufgang gegen 4:45 Uhr

Das 1. RedBull konsumierte ich irgendwann gegen 5 Uhr. Das 2. dann gegen 8 Uhr.
Grundsätzlich hielt sich die Müdigkeit sehr in Grenzen – wirklich müde wurde ich dann erst nachdem ich Zuhause in aller Ruhe geduscht hatte. Abends kippte ich dann gegen 22 Uhr ins Bett und schlief wie ein Bär im Winter.

Für mich war die Nacht ein wunderbares Erlebnis: leere Straßen, man konnte sich allein auf sich selbst konzentrieren und die Ruhe vollkommen anders erleben. Insgesamt begegnete ich zwischen 22 und 06 Uhr vielleicht einem Dutzend Autos, einem Sprung Rehe und drei Single-Rehen, daneben sah ich oben angesprochenen Dachs und eine Fuchs-Familie sowie unzählige Katzen und Marder.

Meine Armlinge und Beinlinge habe ich nicht gebraucht – die Nacht war erstaunlich warm und selbst die kurzen Abschnitte zwischen Feldern oder in Wäldern, in denen es spürbar kälter wurde, waren annehmbar. Von meinen 4 Flaschen trank ich meine 3x 0,75 Liter Wasser mit Maltodextrin, zwei RedBull. Dazu gab es eine Tüte Gummibärchen, ein Snickers & ein Lions sowie 3 belegte Brötchen (mit Käse & Salami). Recht überschaubar & alles an mir.

Fähre in Pretzsch über die Elbe

Und? Würd' ich es wieder tun?
Ja! Ich habe die 300 Kilometer weder am Donnerstag noch Freitag gespürt – was dafür spricht, dass ich leistungstechnisch im perfekten Fenster war und mich nicht überlastet habe. Durch die Nacht zu fahren ist ein tolles Erlebnis. Vor allem in Brandenburg muss man sich dazu wenig Sorgen machen, zumindest die von mir zusammengestellte Strecke verlief zu einem großen Teil auf sehr guten Radwegen parallel zur Straße und auf wenig befahrenen Landstraßen. Richtung Potsdam hatte ich eine Strecke gewählt, die ich bereits mehrmals Richtung Berlin gefahren bin, rückwärts im Hellen ging es dann auf neuen Wegen.

Ich habe die Runde sehr genossen und werd' auf jeden Fall mal wieder in die Nacht starten.
Zudem spiele ich nun mit den Gedanken, mich im nächsten Jahr mal an ein paar Brevets zu versuchen. Mal sehen.

Meine Route auf Strava & Komoot.

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