Wahlkater
Zumindest in der Chronistenpflicht muss ich hier einmal meine minder gute Laune am heutigen Tag 1 nach der Europa- und Kommunalwahl 2024 festhalten. Im Saalekreis – meiner “Heimatkommune” – hat man sich zu je über 35% für die AfD entschieden und sie sowohl in der Kommune als auch bei der Europawahl zur stärksten Partei gemacht. Und selbst im angrenzenden, immer linken Leipzig, gewinnen Nazis jetzt.
Wie fasst es Anke Gröner zusammen: “Ich weiß gerade nicht mehr ganz so gut weiter. Außer halt beim nächsten Mal wieder zur Wahl zu gehen. Falls es noch eine geben wird” – ja, leider. Und Anke wohnt nicht mal im Osten.
Ich wohne hier scheinbar unter Menschen, die Nazis wählen und denen dabei zu 82% egal ist, dass das Nazis sind.
“Ich weiß nicht, ob ich unseren Sohn in so einer Gegend aufziehen will”, schrieb Martin Neuhof auf Instagram. Ich schrieb zurück: Wenn nicht wir hier bleiben, um ein Gegensignal zu setzen – im Alltag wie auch bei der Wahl –, wer dann? Sollen wir meine Heimat wirklich komplett aufgeben?
WTF, stimme ich Thorsten zu. Allein, weil mich all die Graphen und Ergebnisse lähmen und mich ungläubig zurück lässt, dass selbst junge Wähler überwiegend von den Grünen weg hin in die Arme der AfD flüchten.
Nach der letzten Europawahl – als hier 30% die AfD wählten – war ich primär wütend; auf so viel Dummheit und Ignoranz. Nach gestern Abend bin ich eher müde. AfD Wähler wählen die Partei nicht aus Protest (die Erzählung habe ich schon bei DSU und NPD vor 20 Jahren nicht geglaubt), nicht aus Dummheit oder Angst. Sie wählen sie getrieben von Rassismus und Egoismus. Nazis bieten keine Lösungen. Haben sie 1933 nicht, tun sie auch 90 Jahre später nicht.
Ich bin zutiefst sozial-liberal geprägt, kann nicht anders als heute stetig für Klimaschutz und gegen konvertive Staathalterei zu stimmen. Und an Tagen wie heute bin ich froh, dass mein Vater eingeäschert wurde – er würde wohl im Grab rotieren.
Text vom 10.06.2024 Uhr