„Die Politik muss Autofahren teurer machen“

Mit diesem Satz macht sich der Mobilitäts- und Zukunftsforscher Prof. Dr. Stephan Rammler wohl eher keine Freunde unter den deutschen Autofahrern.

Doch hinter der populistischen Forderung stecken moderatere Töne. Denn eigentlich will Rammler uns so zum Umdenken auffordern. Das Automobil als Freiheitsversprechen hat angesichts von im Stau erstickenden Städten im 21. Jahrhundert ausgedient.

Rammler beschäftigt sich mit den Ideen für neuartige Sharing-Modelle und andere, durch die Digitalisierung möglich gewordene Nutzungsinnovationen. Diese Themen treiben ihn in seinem letzten Buch „Volk ohne Wagen“ um.

Dabei ist das, was Rammler schreibt keine Überraschung. Bereits seit einiger Zeit beschäftigt sich die Automobil-Industrie mit den aus der Digitalisierung erwachsenden Konsequenzen.
Doch während der Prozess zur Veränderung dort bereits angestoßen ist, hinken Millionen von Pendlern noch hinterher. Schlussendlich sind wir es, die ihr Mobilitätsverhalten überdenken müssen. Denn noch immer sind wir getrieben vom „Was-Wäre-Wenn“-Gedanken. Beim Autokauf gibt oftmals nicht unser Alltag den Ausschlag, sondern der Urlaub oder der Kindergeburtstag – deshalb muss es ein großes, eigenes Auto sein – statt eines flexiblen, kleinen Carsharing-Angebots.

Im Interview mit dem SPIEGEL gibt Rammler einen Einblick in seine Gedanken-Welt, in der Industrie, Politik und wir gleichermaßen gefragt sind für den Wandel der Mobilität. Die, am Ende, unser aller wegen in Schwung kommen muss.

„Das Auto kann nur ersetzt werden, wenn die Summe der Alternativen besser ist. […] Deswegen muss die Politik mutig sein. Die Leute werden nicht von alleine auf andere Mobilitätsangebote umsteigen, egal, wie gut die sind.“

Vorfahrt im Straßenverkehr dank Mikropayment?

In einer Welt voller autonomer Autos – was wäre es wert, früher auf Arbeit zu kommen? Oder später? Von der Idee, uns künftig die Vorfahrt erkaufen zu können. Es ist ein interessanter Gedanke, den Guido Bellberg in der WELT da durchspielt: wenn wir bald alle autonom fahren und gegen Geld schon bei Bedarf mehr PS kaufen können in Autos – was spricht dagegen, uns auch eine Vorrangfunktion im Straßenverkehr zu erkaufen? Quasi Vorfahrt als In-Car-Purchase. Aus der Idee läßt sich gar ein Geschäftsmodell machen: nicht nur ersteigere ich als Jemand, der es eilig hat die Vorfahrt. Derjenige, der sich freiwillig aus dem Weg trollt, erhält dafür auch entsprechend einen Teil dieses Geldes. Was müsste man uns bieten, damit wir fünf Minuten später am Ziel ankommen, weil wir 30 Autos Platz machen? 1 Euro? 2? 5? Bei Bellberg siegt der Kapitalismus über den Verkehrsfluß. Bis der Staat in Form einer Vorfahrtssteuer wahrscheinlich seinen Teil haben will. Auch, wenn der Gedanke absurd erscheint: er zeigt auf, welche Formen die Digitalisierung des Autofahrens künftig annehmen könnte, wenn wir uns von den Denkbarrieren, die Selbstlenken uns auferlegt, lösen.