Von Männern, der Unlust auf Romane, und wie man das ändern könnte
Why Did the Novel-Reading Man Disappear?, fragte die New York Times vor einer Weile. In den USA (und ich vermute: nicht nur da) machen Männer nur noch etwa 20 Prozent der Belletristik-Leserschaft aus.
Im Artikel fragt sich Joseph Bernstein, ob es daran liegt, dass im Roman nicht mehr ausreichend "männliche" Themen behandelt werden. Jordan Castro lässt sich gar dazu hinreißen, zu erzählen, dass der „allgemeine Ton und die Etikette der literarischen Welt feindlich gegenüber maskulinem Ausdruck“ sei.
Das halte ich für reichlichen Quatsch.
Ja, Fakt ist: Während der Anteil der von Frauen veröffentlichten Bücher in den 1970ern noch bei nur etwa 20% lag, hat sich die Quote bis heute auf 50% angeglichen. Beim Absatz lagen Autorinnen vor 50 Jahren noch bei nur 30%, heute verkaufen sie mehr als die Hälfte.
Das bedeutet ja aber nicht, dass es plötzlich ein Mangel an 'männlichen Sichtweisen' oder 'männlicher Sprache' gibt.
Trotzdem aber: Männer lesen weniger.
Zumindest Romane. Die wurden durch Dopamin- und Sucherzeugende Medien ersetzt. Männer scheinen schlichtweg anfälliger für kurzfristige Belohnungen zu sein und haben sich Medien zugewandt, die "den Jagdtrieb" befriedigen, statt sich stundenlang in eine Ecke zu setzen und ein Buch zu lesen.
Die NY Times zeigt auf, dass Männer ihre Zeit heute mit Online-Talkshows, Glücksspiel und in Games verbringen. Das ist besorgniserregend, resümiert der Artikel – für Auseinandersetzung und Bildung.
Niklas Stuhr appelliert an seine Geschlechtsgenossen in der Süddeutschen neulich auch: Männer, lest mehr Romane! (Archive.md-Link).
Weil Männer offensichtlich auf schnelle Befriedigung aus sind, die sich mit Lesen schwer erreichen lässt, braucht es für sie eher ein Rational, wieso sie lesen sollten. Wohl auch deshalb lesen Männer dann eher Sachbücher und Selbstverbesserungs-Schmöker als Romane. Da holen sie was raus!
Und während Bernstein in der NYTimes darüber berichtet, dass es mehr "männliche Literatur" braucht, neige ich eher dazu, Stuhr in der Süddeutschen Recht zu geben: „Es braucht nicht mehr Männer-Bücher […] Vielmehr braucht es einfach männliche Vorbilder, die lesen“. Lesen ist nicht performativ, sondern Freude. Das zu transportieren und die richtigen Hinleiter zu geben, ist wichtig. Und das kann Zuhause anfangen – mit vorlesen, und damit Bücher nicht zu Geschenken sondern zur normalen Nahrung zu machen – Bücher erreichbar, normal zu machen. Oder Bücher auch gemeinsam zu entdecken: Gemeinsam mit den Jungs zu lesen, darüber zu reden, sich Kapitel-Diskussionsmarken zu setzen. Kurz: Die Freude und Auseinandersetzung zu finden.
Also, keine Bücher zu Weihnachten verschenken, sondern Bucherlebnisse. Nur so kann es klappen.
Und warum wir mehr Lesen sollten? Weil es Leseverständnis fördert. In Welten entführen kann, die wir nicht kennen. Empathie fördern kann. Und uns lehren, dass es Wert ist in etwas zu investieren, dass nicht schon nach 10 Sekunden vorbei ist…
Dabei bringen die allermeisten Sachbücher rein gar nichts (lesen und vergessen). Wenn, dann sind es fesselnde Erzählungen, die im Gedächtnis hängen bleiben. Das Problem ist eher, dass die immer selben bekannten Gesichter und Serien aufgewärmt werden, es gibt kaum etwas Neues, Herausragendes (egal ob Buch, Film, Musik, Serie).