Was 2025 in Social Media wichtig ist
Das Jahresende bringt traditionell eine Menge Prognosen hervor. Ich kann mich dem natürlich nicht entziehen – und wage jedes Jahr ebenso eine Einschätzung. Dabei geht es mir weniger um „mutige Thesen“, sondern Themen, bei denen ich Entwicklungen und notwendige Fokussierung sehe.
Wir verbringen mehr Zeit in Social Media als je zuvor. Das zwingt die Plattformen, uns ständig Neues zu präsentieren. Gleichzeitig führen wir zunehmend Gespräche nur noch in privaten Räumen, während künstliche Intelligenz das Internet überflutet und uns zwingt, nach unberührten Räumen zu suchen, in denen wir wahre, menschliche Geschichten finden können. Das wird das Jahr 2025.
Die Social-Media-Landschaft wird ihren Mittelweg zwischen Authentizität und KI-Überfluss finden müssen. Wir werden 2025 mehr Nischen-Communities und Plattformen sehen. Und Unternehmen werden für sich final die Frage beantworten müssen, was eigentlich intelligentes Engagement ist und was nun zählt: Qualität oder Quantität? Vor allem in Deutschland werden Media- und Produktionsbudgets unter Druck geraten, die manches Unternehmen allein schon aus diesem Grund dazu zwingen, seine Strategie auf tiefere Verbindungen mit dem eigenen Publikum zu fokussieren. Nutzer sehnen sich indes nach Inhalten, die Wert haben und nicht für den Algorithmus produziert wurden.
10 (+1) Social-Media-Entwicklungen für 2025
01 / Egal, ob das US-Verbot kommt oder nicht: Der Druck auf TikTok wird weltweit zunehmen.
Egal, wie der 19. Januar 2025 in den USA verstreichen wird – ob TikTok nun in den USA verboten wird oder nicht –, 2025 wird für Bytedance und seine App kein ruhiges Jahr. Die App steht auch in Europa unter Beobachtung. Rutscht der Markt in den USA tatsächlich weg (woran ich noch immer nicht glauben mag), wird das weltweit Konsequenzen haben. Zum einen schauen andere Staaten durchaus auf den Vorgang in den USA. Zum anderen wird das Fehlen von US-Creators einen wesentlichen Einfluss auf Trends und Netzkultur haben – YouTube Shorts könnten von einem Verbot am meisten profitieren, wenn es YouTube richtig anstellt.
02 / Altersbegrenzt: Social-Media-Verbote für Jugendliche werden in mehr Ländern in Gesetze gegossen.
Australien hat im November für viele gehobene Augenbrauen gesorgt, als die Regierung binnen weniger Tage ein Gesetz für ein Social-Media-Verbot für Jugendliche unter 16 Jahren beschlossen hat. Jetzt haben die Plattformen bis Ende nächsten Jahres Zeit, dieses umzusetzen – wie die Altersverifizierung aussehen wird, ist indes noch vollkommen unklar.
Andere Länder werden sich die Fortschritte in Australien genau anschauen. In den USA haben diverse Bundesstaaten wie Florida bereits föderale Jugendverbote für Social-Media-Plattformen beschlossen. Schweden diskutiert aktuell offen über ein Verbot – und führt vornehmlich die wachsende Jugendkriminalität als Grund an. In der EU ist Spanien aktuell federführend in der Einführung einer europäischen Brieftasche zur Altersverifizierung auszuarbeiten – und hätte damit eine technologische Lösung zur Hand. Aktuell nimmt man über das EU-Gesetz über digitale Dienste (DSA) zwar die Plattformen in die Pflicht, vor allem die erstarkten Konservativen Parteien in der EU-Kommission könnten das Thema für sich jedoch entdecken. Frankreich bringt seinen Vorschlag zu einem Verbot für Jugendliche seit Mai wiederholt ins Gespräch.
Ein Social-Media-Verbot für Kinder könnte Einfluss auf unser aller Nutzererfahrung und die Netzkultur haben. Dazu Sebastian Meineck bei Netzpolitik. Ein Verbot wäre zudem kontraproduktiv, was Medienkompetenz anbelangt. Argumentiert Danah Boyd auf Medium.
03 / Fragmentierung: Nischen-Communitys boomen und die Plattform-Vielfalt nimmt weiter zu.
Das Revival des Newsletters, der Boom der Facebook-Gruppen, Instagram Broadcast-Channels und Telegram-Kanälen zeigt: Nutzer und Communitys ziehen sich seit Jahren zunehmend ins Private zurück. Auch im kleineren Kreis ist das so: Direct Messaging ist auf Instagram das meistgenutzte Feature.
Auch die Plattform-Vielfalt nimmt zu. Die Spaltung der früheren “Twitter-Gemeinde” auf X, Bluesky, Mastodon, Threads, Abwanderungen nach reddit und Co. sind das wohl plakativste Beispiel. Hinzu kommen die “Hidden Champions” wie Twitch, Snapchat oder Pinterest, die in den Köpfen der meisten Marketing-Verantwortlichen noch nicht angekommen sind, aber in Sub-Kulturen die primären Kanäle sind und ein Millionen-Publikum finden. Selbst BeReal hat mit mehr als 20 Millionen Nutzern noch eine Nutzerbasis, die spannend sein kann. Unternehmen und Marketing-Verantwortliche müssen flexibel im Kopf bleiben und genau betrachten, wo ihre Zielgruppen mittlerweile sitzen und wie sie diese ansprechen – denn in mancher Community und auf der ein oder anderen Plattform gibt es nicht einmal Werbemöglichkeiten, dort zählt organischer Content und Beteiligung.
04 / Bezahlschranke: Kostenpflichtiges Social Media und Bezahlschranken für Creator-Inhalte nehmen zu.
Noch sind die Zahlen nicht riesig – aber das Angebot an Social-Media-Plattformen, die ein werbefreies Abo anbieten, nimmt zu. Während bei YouTube Werbefreiheit das Nummer 1-Argument ist, sind es bei anderen Plattformen wie X und Meta nette Dreingaben. Aber vor allem für Werbetreibende bleiben organischer Content und Influencer-Kooperationen wichtig, weil hier Zielgruppen unterwegs sind, die über Werbung nicht erreicht werden.
Der andere Bezahltrend: Creator versuchen unabhängiger von den großen Plattformen Metas und YouTube unabhängig zu werden, indem sie ihre Communitys auf OnlyFans, zu Patreon oder Steady zu ziehen. Newsletter, Podcasts und andere Videos wandern hinter Paywalls – und für Fans könnte sich bald die Frage stellen, für wen ich eigentlich mein Geld ausgeben mag.
05 / Durch die Brille: AR und VR werden wachsen, aber weiterhin kein Massenphänomen.
„Next year is a big year for Meta glasses“, schrieb Mark Zuckerberg am 18. Dezember. Seit mehr als einem Jahrzehnt prophezeien Zukunfts-Experten den Durchbruch von VR und AR, doch so richtig mag das Thema nicht Fuß fassen. Doch der Druck auf den potenziellen Markt nimmt zu: Meta. Apple. Google hat erst vor wenigen Tagen sein neues VR-Betriebssystem vorgestellt. Snap bastelt seit Jahren unbeirrt an seinen AR-Brillen. Die Preise für Einsteigermodelle purzeln. Das könnte die Hemmschwellen der Konsumenten senken. Für den Durchbruch in der breiten Masse fehlt jedoch nach wie vor die eine, notwendige Killer-App.
06 / Teleshopping 2.0: Social Commerce kommt über TikTok auch nach Europa.
Social Commerce ist in Asien aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken, es ist dort eine eigene Industrie. Der Versuch, direkte Shopping-Funktionen und Live-Streams mit Direktverkäufen in den USA oder Europa zu etablieren, ist bisher jedoch gescheitert. Unklar, ob am Kunden oder den halbherzigen Versuchen der Unternehmen. Aber YouTube Shopping, Instagram Shopping, … Während Temu über Gamification seinen Absatz in Europa nach oben schraubt, bleiben die Social-Media-Apps noch frei von Warenkörben und Kreditkarten-Klicks. Das könnte sich jetzt ändern.
TikTok kommt nicht nur mit jeder Menge Erfahrung aus China in den Markt, sondern baut auch die gesamte Logistik mit auf: Social Commerce ist für Händler und Kunden ein ähnlich bequemes Erlebnis wie das Shoppen bei Amazon, weil TikTok sich um Lagerung, Absatz und Zahlung kümmert. In den USA hat das Unternehmen erst zum Black Friday neue Rekorde vermeldet. Vor wenigen Tagen startete nun auch der Test in Spanien und Irland. Die anderen Plattformen werden sich das genau anschauen. Zum einen versucht Amazon mit eigener TikTok-Kopie sich zu wappnen, zum anderen integriert YouTube Shopify tiefer. Es könnte spannend werden für Menschen, die Dinge in Social verkaufen wollen.
07 / Der Sog bleibt: Videos bleiben das wichtigste Medium, allerdings zählt Klasse statt Masse.
Keine Diskussion: Videos, Videos, Videos – bleiben das Trend-Format in Social Media. Vor allem Kurz, vorrangig 9:16. Was man deshalb nicht unterschätzen sollte, ist YouTube. Langformate können funktionieren, auf den Plattformen TikTok und Instagram primär als Serien-Ideen, die ein bisschen funktionieren wie gute 90er-Jahre-Serien: gleiches Thema, bekannte Gesichter, aber jede Episode alleinstehend funktional. Selbst LinkedIn drückt beim Thema Video auf die Tube. Und Podcasts werden immer mehr zur Talkshow, die auf Video nicht verzichten können. Weder auf YouTube, und erst recht nicht auf Spotify – vor allem, wenn man damit als Creator ernsthaft Geld verdienen will.
08 / Entdecken und Suchen: Social Media und LLMs lösen die traditionelle Suche ab.
Geh einmal auf einen Schulhof und frage, wer Google nutzt. Mich würde wundern, wenn du während der ‘Großen Pause’ auch nur 10 Jugendliche finden würdest. Je jünger, desto öfter fragen Menschen ChatGPT, YouTube und TikTok, wenn sie Hilfe brauchen oder Neues suchen. Das macht die eigene Webseite nicht überflüssig, es bedarf aber neuer Ansätze für organisch gut auffindbaren Content auf Social und Webseiten-Inhalt, der den KI-Bots schmeckt. Webseiten zu lesen ist Arbeit, das macht niemand mehr, der auch kein Buch mehr liest. Wer sich bisher nicht mit Social-Media-SEO, GAIO und LLMO beschäftigt hat, aber Content verteilen soll, der hat 2025 Handlungsbedarf.
09 / Influencer: Co-Creation und UGC sind wichtiger denn je.
Menschen vertrauen Menschen, nicht Marken. Den Spruch kennen wir alle – und er ist wahr, selbst wenn diese Menschen virtuell sind. UGC und Co-Creation mit Influencern werden zur absoluten Pflichtübung, sie sind kein ‘nice to have’ mehr.
10 / Die Suche nach dem Realen: Künstliche Intelligenz vs. dem Verlangen nach Authentizität.
KI ist überall. Und sie hilft Social-Media-Arbeitenden ohne Zweifel. Egal, ob Ideenfindung, Caption-Schreiben, Reporting-Auswertung oder Bilderstellung. Doch es ist Vorsicht angesagt. Je älter die Zielgruppe, umso negativer reagiert sie auf KI-Inhalte. Vor allem, wenn es um Fakten und Wissensvermittlung sowie um Gefühle geht, gibt es keinen Weg um das Echte, das Authentische, herum. Die Shitstorms um Coca Colas Weihnachtsspot oder die virtuelle Reiseinfluencerin Emma sollten als warnende Beispiele dienen, wie man KI-Kampagnen nicht gestaltet.
Auf der anderen Seite gibt es jede Menge Chancen, vor allem in der Co-Creation mit Künstlern. Und schließlich sollte es immer zur Marke und zum Ziel der eigenen Kommunikation passen. Die junge Zielgruppe mag sich an KI-Bildern nicht stören, gleichzeitig liebt sie aber auch die frühen 2000er Jahre und den nostalgisch, körnigen Look alter Serien. Vorstellbar: Während KI-Bilder und -Videos immer perfekter werden, werden Inhalte von Influencer und Firmen gegen den Trend & absichtlich weniger perfekt, um echt zu wirken.
Ebenso ein Aspekt: Weil jeder mit KI-Tools plötzlich massenhaft Inhalte erstellen kann, fangen Creator und Marken an, wirklich nur noch dann zu kommunizieren, wenn sie etwas zu sagen haben. Der Tod von “Always On-Inhalten”, im Grunde – stattdessen wird Inhalt wichtiger, der mit einer echten Nachricht durch den KI-Lärm dringt.
11 / Bonus-These: Der Hashtag ist tot.
Hashtags sind so 2000! Firmen haben noch nie verstanden, wie man sie wirklich einsetzt und die Plattformen brauchen sie immer weniger. Threads hatte sie nie, auf Facebook haben sie die Nutzer nie verstanden, Linkedin braucht sie nicht mehr, um Texte zu finden. Instagram schafft sie im Grunde schrittweise ab. Und auf X mag Elon Musk sie seit Neustem nicht mehr, weil sie hässlich sind. Eigentlich bleibt der Hashtag nur noch auf TikTok relevant. 2025 kannst du im Grunde also im Großen und Ganzen auf Hashtags verzichten und wirst sie nicht vermissen. Vor allem aber drucke sie bitte nicht mehr auf Werbeplakate.
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Text vom 19.12.2024 Uhr / Letzte Aktualisierung: 20.12.2024, 10:20 Uhr
Lieber Thomas,
danke – danke für deinen Newsletter, danke für deine Insights. 2024 hast du mit deinem Newsletter etwas wirklich gutes gestartet und das Ende vom Jahr, ist der beste Zeitpunkt um dafür mal Danke zu sagen!
LG
Bjoern Habegger / 20.12.2024 / #Bjoern
Lieben Dank, Bjoern! ❤️
Thomas @gigold / 20.12.2024 / #Social Media,… urgh. Ewige Hassliebe.
Zu Punkt 3: Wenn die privaten Unterhaltungen, die meisten Aktivitäten vorweisen, kann man sich ja mal fragen: wieso?
Vielleicht weil man als User gar nicht mehr die Inhalte derer sieht denen man folgt. – der Punkt weswegen ich Instagram am meisten verteufle,… aber egal. Ich werde eh zu alt dafür!
Zu Punkt 7: Ja. Man muss aber auch sagen, dass Videos zur Plattform passen müssen. Ich bin immer noch kein großer Fan von Videos/Reels/Stories auf Instagram – gehört für mich einfach nicht dahin. Ist wie Sprachnachrichten auf WhatsApp… aber vielleicht muss ich mich da der Masse auch einfach beugen. Also den Videos auf Instagram. Sprachnachrichten nicht.
… ach Social Media, meine Hassliebe! Wir sehen uns auf jeden Fall 2025 wieder! :D
Dir lieber Thomas ein frohes Fest und einen guten Rutsch :)
Christiane / 24.12.2024 / #Danke Christiane.
Punkt 3: Der Punkt hat nicht unbedingt etwas mit Followern zu tun, sondern mit Inhalten die man sich zuschickt und über die man sich unterhält. Zu dem „Meine Follower sehen meine Inhalte nicht mehr“-Aussagen habe ich meine eigene Meinung; viele Nutzer tun immer so, als hätten die Plattformen da eine Bringschuld – haben sie ganz klar nicht; wenn du deine Follower bespielen willst nutze Blogs, Podcasts, Newsletter. Es gibt genug nicht-algorithmische Möglichkeiten.
Punkt 7: ja, klar – Kurzvideo ist nicht gleich Kurzvideo, man sieht schon deutliche Unterschiede zwischen Instagram Reels und TikTok bspw.
Danke und dir ebenso ein Frohes Fest :)
Thomas @gigold / 24.12.2024 / #