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Zettelkasten – Digitales Messietum

Das Messie-Syndrom ist eine Störung der Wertbeimessung. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, Wert und Nutzen von Gegenständen zu beurteilen und sie entsprechend zu behandeln.

So steht es in der Wikipedia.

Immer, wenn ich über den digitalen Zettelkasten oder den Ansatz des Second Brain lese, fällt mir nicht mehr als genau das dazu ein.

In beiden Ansätzen sammelt man einfach alles, strukturiert es und hofft, oder denkt, oder nimmt an, dass man das alles irgendwann mal wieder braucht.

Bei Caasn habe ich heute von Joan gelesen – die hat ihren digitalen Zettelkasten nun komplett gelöscht, weil er sie erschlagen hat: „over time, my second brain became a mausoleum“.

Ich nutze Obsidian für meine Schreibarbeiten. Ich habe darin nicht einmal 70 Dateien.
Regelmäßig lösche ich Ding. Mein Second Brain ist mein erstes, organisches Gehirn. Ich bin nicht der Typ, der sich massiv viele Notizen in Meetings macht. Ich bin nicht der Typ, der jede Notiz jahrelang aufhebt. Nicht jeder Gedanke muss bewahrt werden – das sehe ich jedesmal, wenn ich durch die über 20 Jahre meines Blog-Archivs scrolle! 😂

Ich hebe recht wenige Dinge auf. In meinem Blog zum Beispiel liegen derzeit nur 3 Entwürfe.
Und ich bin mir sicher, dass von den 70 Dateien in meinem Obsidian mindestens 20 schon wieder bereit sind, sich in die digitalen Jagdgründe zu verabschieden…

Wo ich lange digitaler Messie war: bei Links.
Ich habe Tabs über Tabs offen, hat ein eigenen Link-Speicher mit tausenden von Links. Den habe ich vor vier Wochen abgeschaltet und bisher nicht 1x vermisst.

Auch eine ToDo App habe ich seit einer Weile nicht mehr.
Und lebe prima damit … Zugegeben: ich arbeite seit geraumer Zeit auch nicht mehr im sogenannten "Tagesgeschäft", was die Zahl meiner Mikro-Todos massiv verringert hat. Meist habe ich eher ein primäres Projekt und kann kleinere Aufgaben im Lauf eines Tages wegarbeiten.

Aber nach Jahren stellt sich – für mich! – jedenfalls raus: Mir reicht mein Gehirn.
Ich brauche gar kein zweites.

Alles, woran ich mich erinnern will ist meistens noch da. Für Obsidian habe ich gerade sogar ein kleines Plugin entdeckt, dass Notizen nach einer Weile selbständig löscht – muss ich mir direkt mal anschauen…

An Real-Welt-Ereignisse erinnere ich mich meist via Foto.
Ich habe schon mehrfach angefangen Tagebuch zu schreiben – und bald darauf wieder gelassen. Manche Tage sind einfach langweilig. Mein Tagebuch basiert mittlerweile eher auf Basis von Fotos. Ein schöner Ort, ein schönes Erlebnis oder Essen: ich mach ein Bild. Und finde mich dann durchaus dabei wieder, durch diese zu scrollen. In den alten Tagebuch-Einträgen habe ich indes nie wieder geblättert.

Ja, Zettelkasten und Tagebuch sind ebenso wie ToDo-Listen eine höchst persönliche Angelegenheit. Die Dinge können helfen – um es sich einfacher zu machen, sich selbst zu strukturieren oder den Mental Load zu verringern. Und ich gebe zu: Manche Dinge verschwinden in meinem Kopf dann eben auch. So it it. Mir persönlich rangen all die Konzepte immer zu viel Struktur und Aufwand ab – und gemessen an dem, was sie mir dafür zurück gaben, war es mir der nicht wert.

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Kommentare

  • Ich hab damals mit dem Zettelkasten-Ding (oder, naja, einer Variante davon) angefangen, weil ich das umgekehrte Problem hatte, vieles zu früh zu löschen (etwa angefangene und abgebrochene Texte, die ich dann später doch gerne zu Ende bringen wollte). Das Mindset “ich behalt einfach alles, egal wie nutzlos es scheint”, hat da geholfen. Zu 100% bin ich der Methodologie aber eh nie gefolgt, und das “Second Brain” zu nennen fand ich auch schon immer ein Bisschen cringe 😀 Mittlerweile bin ich auch wieder selektiver, was ich behalte. Was für mich vor allem geblieben ist von der “Zettelkasten”-Methode ist das Prinzip, alles an einem Ort zu speichern, aber großzügig zu taggen und so viel wie möglich untereinander zu verlinken – ich hab in meinem “Zettelkasten” viele Ideen für Blogposts, Sketche, Stand-Up-Bits etc, und ich mag’s, unerwartet über vergessene Ideen zu stolpern (auch, wenn ich dann manchmal entscheide, dass die Idee gar nicht so gut war und man sie langsam mal löschen könnte :D)

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