Black Beauty – Herz über Kopf beim Autokauf
Mein letztes Auto habe ich im Dezember 2021 verkauft. Seitdem kommen wir mit Mietwägen über die Runden. Aller zwei Wochen übers Wochenende. Hier auf dem mit S-Bahn okay angebundenen Dorf eigentlich vollkommen ausreichend.
In den letzten 4 Jahren habe ich auf diese Weise viele Erfahrungen mit Elektroautos sammeln dürfen. Und bin zu der Überzeugung gekommen: Würde ich heute einen Neuwagen anschaffen, es wäre immer ein elektrisches Auto.
Die Kinder werden pflücke. Kind1 zog vor 4 Jahren aus. Kind2 im August diesen Jahres. Und Kind3 ist mit 17 heute auch nicht mehr sonderlich daran interessiert, mit den Eltern irgendwo hinfahren zu wollen.
Eigentlich gibt es also keinen Grund ein Auto zu kaufen: keine Kids mehr, keine großen Einkäufe und ein Dorf-Supermarkt um die Ecke.
Wenn man dann ein Auto kaufen würde, dann zudem ein elektrisches.
Eigentlich.
In den letzten beiden Jahren haben wir hin und wieder mit dem Gedanken gespielt, wieder ein eigenes Auto zu besitzen. Ich bin ehrlich: Gäbe es hier Carsharing, ich wäre zufrieden. Tut es aber nicht. Und mit Auto könnte man zumindest etwas flexibler einkaufen oder auch mal – als altes Paar – einfach für einen Tag wegfahren.
Mir schwebte dabei immer ein bisschen vor, einfach ein Elektroauto zu leasen. Auch – oder obwohl? –, wenn mein Traumwagen jetzt eigentlich etwas vollständig anderes ist …
Vom Traumauto
Irgendwann Mitte der 1990er Jahre fuhr in einer Serie – ich glaube, es war Highlander – ein 1967er Ford Mustang auf dem Bildschirm vorbei. Und naja, was soll ich sagen: Es war Liebe auf den ersten Blick. Nicht in der Form, dass ich einen Ford Mustang haben wollte. Eher in der Form jugendlicher Begeisterung für Schönheit.
Irgendwann 2003 stellte Ford dann die Studie eines Mustang in Retro-Design vor. Der landete 2004 schließlich auf der Straße und sollte – inklusive kleinerer Überarbeitungen – für 10 Jahre gebaut werden. 2010 gönnte man dem intern S-197 genannten Modell eine technische Überholung, 2011 eine optische, und 2013 noch einmal eine optische.
Mit eben jener optischen Anpassung von 2013 erreichte Ford – in meinen Augen – den Peak 'Schönheit' im Retro-Design: klassische Seiten-Linie, tolle Front mit LED-Tagfahrlicht, neue Heckleuchten, solide Technik.
Für mich war der S-197 stets die ultimative Schönheit. Und der 2013er Jahrgang ein Augenschmaus. Erhältlich war er in Europa nur als Import. Und deswegen ist er dann doch ein recht selten zu sehender Zeitgenosse gewesen.

Von Entscheidungsvorgängen
Ab und an – sehr selten – dachte ich, wie es wohl wäre, einen Mustang zu besitzen. Es war kein Traum. Eher so ein Gedanke wie jene Fantasie, in Schottland wandern zu gehen oder darüber zu reden, wie man einen Lottogewinn investieren würde – ohne, dass ich je Lotto gespielt hätte. Ich freute mich, wenn ich einen Mustang auf der Straße sah – fertig. Maximal eine kleine Sehnsucht. Nie ein greifbarer Wunsch. Auch, weil ich eigentlich viel zu pragmatisch für so ein Auto bin.
Irgendwann Mitte Februar 2025 aber passierte etwas.
Ein Gedanke wuchs, zart und behutsam gepflegt – von der Frau: Wenn die Kinder jetzt quasi aus dem Haus sind und wir darüber nachdenken ein Auto zu kaufen, dann könnte man am Ende statt für 30.000 Euro einen Neuwagen, eben für 15.000 Euro auch einen Traumwagen kaufen.
Klar. So ein 305 PS starker V6 Amerikaner mit 3,7 Liter Hubraum verbrennt Sprit und ist nicht günstig im Unterhalt. Aber: wenn nicht jetzt – wann dann?
Irgendwann, um diese Gedankengänge herum, erschien auf Mobile.de dann ein frisches Angebot: 2013, V6, schwarz, okaye Kilometer, vom Händler zu einem mehr als fairen Preis (im Vergleich zu dem, was da sonst so im Angebot war).
Und dann ging vom Samstag bis Montag Morgen eigentlich so eine Alibi-Konversation los…
Mustangs sind ja wertstabil.
Ist echt ein gutes Angebot.
Wir können ihn ja mal anschauen.
Schon schön.
Und plötzlich stand ich am Montag Morgen beim Händler.
Und plötzlich checkte ich das Auto auf Carfax.
Und plötzlich unterschrieb ich einen Kaufvertrag und überwies einen Geldbetrag an ein Händlerkonto.

Von Käufen
Seit dem 24. Februar 2025 besitze ich also nun einen 2013er Ford Mustang.
Die Zulassung zog sich noch etwas. Aber seit dem 12. März 2025 steht er auf seinem Parkplatz bei mir. Und zieht nicht nur meine Blicke permanent auf sich.
Diese Skulptur.
Jeden Tag gehe ich mit dem Hund zwei, bis dreimal an ihm vorbei. Jeden Tag blicke ich zwei bis dreimal aus dem Fenster. Und um ehrlich zu sein: ich schmachte ihn an, wie man ein Objekt als einigermaßen gesunder Mensch nur anschmachten kann.
Es ist nicht so, dass ich mir vorher nicht auch bereits Träume erfüllt hätte. Ich habe ein schönes Carbon-Rennrad. Ich habe Urlaube gemacht, die ich mir erträumt habe. Ich lebe in der Wohnung, die sich vor 3 Jahren zufällig für uns als Traumwohnung ergeben hat – und die ich jeden Tag aufs Neue liebe.
Dieses Auto aber ist noch einmal anderes. "Wir haben uns verdient, das zu tun", meinte die Frau neulich. Und vielleicht ist es genau das. Es ist wider der Vernunft – und meines Pragmatismus. Es ist ein bisschen eine Belohnung. Es ist die Erfüllung einer Sehnsucht.
Mein Pragmatismus hat sich beim Motor durchgesetzt. Manch einer mag behaupten, ein Mustang sei nur ein Mustang, wenn ein V8-Motor in ihm arbeitet. Aber um ehrlich zu sein: Dieser Mustang hier ist unser Daily Driver. Ein wunderschön anzuschauendes Arbeitspferd. Und so toll V8-Motoren sind – unzweifelhaft –, so teuer sind sie. Darüber hinaus ist der Mustang nun wahrlich kein Sportwagen; er ist ein Cruiser. Wer braucht da mehr als das, was er ist?
Vom Leben
Neun Monate nun ist der Mustang – liebevoll Black Beauty getauft – nun Teil der verkleinerten Familie. Langstrecke lief er bereits nach Stuttgart und nach Schweden. Groß wie ein BMW 3er, ausreichend Kofferraum und wenn du ihn gemütlich fährst braucht er auf der Autobahn beim dahingleiten nicht mal 9 Liter.
Der Grünen-Wähler in mir knirscht mit den Zähnen. Aber er wird jeden Tag beim Anblick dieses Autos vom Schöngeist mit Begeisterung überstimmt.
Das Auto ist ein typischer Amerikaner: knarzt überall, ausgestattet mit Plastik bis über den Hals, und die Starachse mit den angetriebenen Rädern hinten erzählt dir ausführlich, dass das kein Sportler ist. Gefährlich ist er zuweilen auch: bei Nässe braucht der Gasfuß Beherrschung, sonst stehst du fix entgegen der Fahrbahn.
Aber all das erzeugt in mir kindliche Freude. Und deshalb ist dieses Auto nicht nur die dümmste Anschaffung 2025, sondern auch die beste.

Ich habe nicht das kleinste Interesse, mir könnte ehrlich nichts egaler sein, als diese wie ich immer sage unweltzerstörenden Kisten, aber rein objektiv betrachtet sieht es entgegen der Formen, die man sonst sieht absolut hübsch aus und deine innere Freude förmlich lesen zu können, freut mich richtig. Bleibt nur, euch noch viel Spaß mit dem Gefährt zu wünschen und da ich schon hier bin, einen guten Rutsch und von Herzen alles Liebe für 2026.
P.S. Die neue Uberblogr Version mag ich sehr. Danke für die Arbeit, die dort dort investierst.
Lieben Dank für beides 🙂
Wie geschrieben schlagen da auch zwei Herzen in meiner Brust, als Neuwagen würde ich den heute nicht kaufen …
Ist nicht eigentlich der Moment, wenn die Kinder flügge werden, der, in dem man realisiert, dass man vieles auch so ohne das Statusmobil schaffen würde? So viele Wagen, die selbst ich in der kurzen Autozeit verbraucht habe, unvorstellbar. All der Müll.
Ja der Mustang. Es gibt nicht viele Autos die mir das Herz öffnen, der 67er Mustang Fastback schon. Aber auch dein Jahrgang ist sehr gelungen, denn er greift den Geist des Uropa auf.
Und ja, es ist ne Spritschleuder. Aber das Umweltproblem und der Beitrag eines Einzelnen muss man differenziert diskutieren.
@holger Wir hatten in den letzten 25 Jahren mit Kids über 10 Jahre kein eigenes Auto, sonst stets nur solche, die 'gerade groß' genug waren und immer Gebrauchte – ich wiege jetzt ein bisschen nach.
Tja, gar nicht mal so einfach, ja. Bei mir ist es privat am Ende immer das gebrauchte Vernunft-Auto geworden (von Suzuki Swift Ende der 1990er über Golf 5 Ende der 2000er bis Skoda Octavia Kombi). Bei deinem Mustang wäre mir die Nase zu rund. Erinnert mich an einen Boxer oder Wal. Mir gefallen eher 1967 Buick Riviera und Dodge Challenger SRT Hellcat.