470 Kilometer von der Küste herab
Zu Pfingsten bin ich mit dem Fahrrad von der Ostsee nach Mitteldeutschland gefahren. 4 Tage, knapp 500 Kilometer. Über Geplantes, Gepacktes und Erlebtes.
Im August 2024 machte ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg nach Kalifornien – an der Ostsee. 4 Tage, 500 Kilometer und jede Menge toller Momente. Als mich ein Freund dann Anfang 2025 fragte, ob wir nicht eine ähnliche Tour gemeinsam machen wollten, musste ich nicht lang überlegen: Na klar!
An die Küste oder von der Küste?
Als Termin fanden wir in unseren Kalendern rasch 'Pfingsten'.
Eigentlich ein Zeitpunkt im Jahr, der stabiles Wetter verspricht. Doch mit greifbarer werdendem Termin verdunkelte sich die Wettervorhersage – inklusive Sturmwarnungen an den Küsten für den Pfingst-Sonntag und -Montag; wenn wir unser Ziel erreichen würden.
Also drehten wir die Tour kurzerhand um. Mit dem Zug ging es an die Küste und von dort zurück nach Hause. Weil ich am 1. Tag nicht nur im Zug sitzen wollte, stiegen wir in Stralsund aus und legten von dort aus die ersten 100 Kilometer nach Rostock zurück. Vor dort ging es dann in den folgenden Tage in Richtung Pritzwalk, an Magdeburg vorbei und schließlich nach Halle/Saale.
Wie beim letzten Mal auch ging es von Hotel zu Hotel.
Ich kann und will mir leisten, meine Micro-Abenteuer am Ende des Tages mit einer warmen Dusche und einem weichen Bett zu krönen. Dafür reichen in der Regel Hotels der Ketten B&B oder Motel One. Zwischendrin entdeckte ich dann aber noch eine richtige Perle – dazu unten mehr.

Eingepackt
Touring-Rad war wie im letzten Jahr mein Rennrad, das Canyon Ultimate CF 7.
Mit "Arschrakete" und Rahmentasche war genug Platz für die notwendigen Sachen da.
Ich verzichtete diesmal auf ein 2. Set an Radklamotten & nahm nur das Nötigste mit: Bib & Trikot mit Baselayer, Armlinge & Beinlinge, ein Paar Socken und Windbreaker – alles an mir. Dazu eine dünne Regenjacke. Am Rad hatte ich 1 Shirt, 1 kurze Hose & einen dünnen Hoodie plus dünne Schuhe (um nicht mit den Radschuhen Abends laufen zu müssen). Das war insgesamt deutlich weniger als auf meiner letzten Multi-Tage-Tour. Dazu kamen Ladekabel, eine kleine Powerbank & ein paar abgepackte Portionen Maltodextrin.
Maltodextrin habe ich in den letzten 12 Monaten für mich entdeckt & komme damit selbst auf langen Strecken toll aus – es ist ein fantastischer Kohlehydrate-Lieferanten. Ein paar Gramm davon in die Wasserflaschen und ich brauche auf 150 Kilometer eigentlich nichts anderes mehr.

Tag 1: Halle – Stralsund – Rostock
Wohin es an die Ostsee genau gehen sollte, stand bis wenige Tage vor der Reise eigentlich nicht fest. Wir schwankten zwischen Rostock und Hamburg. Nachdem wir aber festgelegt hatten, dass wir am Meer starten, fiel die Wahl auf Rostock.
Nun wollte ich am Anreisetag nicht nur Zug fahren. Also fiel die Wahl auf Stralsund als Startpunkt. Nach einem recht abenteuerlichen Trip mit dem Zug von Halle nach Stralsund (inklusive einer Teil-Zugräumung in Berlin, weil die Bahn zu voll war), schwangen wir uns um 17 Uhr auf die Bikes und machten uns auf den Weg.
Der direkte Weg zwischen Stralsund und Rostock sind ca. 80 Kilometer. Wir nahmen die "Scenic Route" am Meer entlang. Zwischendrin gab es etwas Regen, durchaus Wind aber jede Menge gute Laune – nicht zuletzt, weil der Radweg nach Rostock rein ein Traum war. Nach 97 Kilometern landeten wir 21 Uhr im B&B City West in Rostock an. Duschen, umziehen, Restaurant suchen. Um 22 Uhr allerdings blieb nur Dominos Pizza. Mit der und einem Radler im Bauch ging es schließlich ins Bett.

Tag 2: Rostock – Marienfliess
Tag 2 startete gemütlich mit einem Frühstück im Hotel, mit dem wir den Regen am Morgen aussaßen. Gegen 10 Uhr ging es auf die Bikes, raus aus Rostock durch Güstrow und Krakow Richtung Pritzwalk. Auf dem Weg ging es auf wunderbaren kleinen Landstraßen und durch jede Menge Nadelwälder durch den Norden.
Ich liebe Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg durchaus für diese Kombination aus Fichtenwäldern, guten Radwegen und viel Grün. Ich könnte tagelang dort entlang fahren …
Das Wetter war tatsächlich mit uns. Zwar war es kühler als man Anfang Juni erwarten würde, uns blieben Regenfälle und zu viel Sturm aber tatsächlich erspart. Nach entspannten 110 Kilometern Tagwerk landeten wir im Klostergartenhotel Marienfliess an – keine Stunde nach unserem Check-in ergoß sich dann ein weltuntergangsartiger Regen. Glück gehabt. Das inhaber(in)geführte Klostergartenhotel ist ein bezaubernder Ort. Für die Räder gab es nicht nur Platz, sondern auch einen Gartenschlauch. Sowohl Abendessen als auch Frühstück wurden in dem kleinen Hotel mit familiärer Atmosphäre frisch zubereitet und waren köstlich.

Tag 3: Marienfliess – Burg
Am Abend von Tag 2 beschlossen wir, die Route von Tag 3 ein wenig zu kürzen – primär wegen des Wetters. Aus 168 Kilometern nach Magdeburg wurden 141 Kilometer nach Burg – wir umfuhren damit Magdeburg, weil die Wettervorhersage ein trockenes Erreichen des Ziels nicht in Aussicht stellte; die 27 Kilometer waren rund eine Stunde erkaufte Flexibilität.
Nach dem Frühstück im Hotel warteten wir erneut eine Regenpause ab und machten uns auf den Weg.
Nach wenigen Kilometern hatten wir eine wilde Begegnung mit einem Reh, dass 2x vor uns den Weg kreuzte. Das machte den Start in den doch recht nassen & kalten Tag etwas erträglicher und versorgte uns mit einigem an Glückshormon und Power. Der Wind blies im Lauf des Tags mit 20 bis 35 km/h wahlweise von vorn oder drückte von der rechten Seite, was leicht zermürbend war.
Trotzdem kamen wir recht gut voran. Nach 65 Kilometern gab es in Havelberg einen Kuchenstopp, bevor wir uns auf die Reststrecke begaben.
Den Tag über begleiteten uns immer schwarze, unheilvolle Wolken. Die aber trieb der Wind zuverlässig knapp an uns vorbei, so dass bis auf wenige Tropfen tatsächlich kein Regen auf uns landete.
Gegen 17 Uhr erreichten wir das Regiohotel in Burg, schüttelten den Dreck aus, duschten und ließen uns – mangels Alternativen – einen Döner liefern.

Tag 4: Burg – Halle
Nach dem Frühstück endete auch diesmal wieder der Regen und wir machte uns gegen 9:30 Uhr auf den Weg in den dunklen, kühlen Morgen. Nach 40 Kilometern erreichten wir die Elbfähre in Barby, setzten über und wechselten nach 3 Tagen endlich in den Wind. Ab da stieg das Tempo, weil der Wind nun mit statt gegen uns zog.
Vom Weg an der Saale entlang wechselten wir auf die Landstraße und ließen uns mit Rückenwind in Richtung Halle treiben. Rechts am Petersberg vorbei mobilisierten wir dann noch einmal die letzten Kräfte und kombinierten gut trainierte Beine mit Rückenwind zu einem 10 Kilometer langen 39 km/h-Sprint zur Stadtgrenze.
Wir verabschiedeten uns nach 110 Kilometern in Halle Mitte und ich nahm die letzten 17 Kilometer in meine Heimatgemeinde in Angriff, die ich zügig hinter mir ließ.

Aus
Nach 477 Kilometern und vier Tagen stoppte ich schließlich vor meiner Haustür.
Aus meiner Tour nach Kalifornien im letzten Jahr nahm ich einiges an Erkenntnissen mit. So reiste ich diesmal mit deutlich weniger Gepäck und in kleineren Etappen. Hatte ich im letzten Jahr noch zwei Tagesetappen von je 180 und 160 Kilometern dabei, verkürzten wir diesmal deutlich. Das machte es nicht mehr oder weniger anstrengend, sondern primär entspannter – vor allem angesichts des Wetters.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit war diesmal etwas geringer, was vor allem am Wind und der doch recht konstant feuchten Fahrbahn sowie dem kühlen Wetter lag. Am Ende kam es darauf nicht an, weil bei Etappen mit 110 bis 140 Kilometern zwei km/h mehr oder weniger keinen massiven Unterschied in der Zeit machen – du bist ohne Streß in 4,5 bis 6 Stunden (Fahrtzeit) am Ziel, egal was kommt.
Was diesmal deutlich feststellbar war: Autofahrer im Norden sind deutlich entspannter und insgesamt freundlicher unterwegs. Kaum hatten wir die Landesgrenze nach Sachsen-Anhalt übertreten wurden wir wiederholt angehupt, angepöppelt und vorsätzlich mit zu wenig Abstand überholt. In Mecklenburg und Brandenburg hat uns zu keinem Zeitpunkt jemand dermaßen bedrängt.
Eine Situation vor Jerichow war dermaßen haarig, dass wir noch am Abend von Tag 3 online Anzeige gegen den Fahrer erstatteten.
Wieder?
Wie schon nach der Tour im letzten Jahr lautet die Antwort: Unbedingt!
Ich schrieb 2024, dass ich mir Kopenhagen als Ziel vorstellen könnte – dafür braucht es eigentlich nicht viel, außer die richtige Zugverbindung. An "One-Way-Strecken" nervt im Grunde nur der Teil der Reise, den du nicht auf dem Fahrrad sitzt…
Routen
Tag 1 – Komoot & Strava
Tag 2 – Komoot & Strava
Tag 3 – Komoot & Strava
Tag 4 – Komoot & Strava
Dieser Text stammt aus dem Juni 2025, noch vor meiner 300-Kilometer-Tour.

Dein Kommentar