Ein bisschen Kindergarten ist Bloghausen ja immer wieder mal. Ich blogge seit fast 25 Jahre und habe jede Menge Diskussionen kommen und gehen sehen. Dabei wurden schon vor 20 Jahren teilweise harte Meinungen gedroppt, Menschen kamen aneinander, … Manch Blog oder auch Beziehung ist daran zerbrochen, manch andere gewachsen. Und die meisten sind nach ein paar Wochen im digitalen Nirgendwo verschwunden, wurden vergessen und dann begann man mit einem anderen Thema von vorn.
Also…
Neulich, da schrieb der Oliver übers Gendern. Dafür bekam er sowohl Gegenwind als auch Zustimmung. Manch Kommentar wurde geschrieben und Blogbeitrag. Manch hartes Wort wurde benutzt. So ist das halt. Da sagt dann jemand aufgrund eines Beitrags eben auch mal "Ich lese das Blog nicht mehr" und zeigt, wie man ein Blog aus dem RSS-Reader und auch aus dem ÜberBlogr–RSS-Feed ausblenden kann. Das ist legitim, aber mancher sieht darin eine „Beschränkung der Meinungsfreiheit“. Wegen all der Gemengelage treten Menschen nun aus dem UberBlogr-Webring aus.
Gut. Ich arbeite mich mal durch. Und für den Fall, dass ich etwas missverstanden oder verpasst habe, meldet euch in den Kommentaren. Ansonsten ist das hier eher mal eine Reflexion dessen, was ich mir als Betreiber von UberBlogr & basierend auf ein paar Blogbeiträgen so denke.
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Das Thema Gendern wird hochemotional besprochen. Olivers Ablehnung zum Thema hat für einige Wellen gesorgt – Gegenwind wie Zustimmung. Ich bin ein Fürsprecher von Gendern und habe in den Kommentaren bei ihm versucht darzulegen weshalb.
Man kann andere Meinungen haben, was nicht bedeutet, dass ich Oliver deshalb für einen Rechten oder "dummen" Menschen halte. Das Thema kann man mit Pro- und Contra-Argumenten versehen - oder man kann es einfach ignorieren.
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Persönlich werden muss man in Diskussionen nie - das zeugt weniger von Argumenten als dem Ausgehen solcher. Sprich: Man muss deshalb niemanden beleidigen, bedrohen etc. Auf Blogs geht es in der Regel vielleicht gesitteter zu als in den typischen Social Media Netzwerken - es sei denn, du stichst in das richtige Wespennest.
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Es ist legitim und sich selbst gegenüber achtsam, ein Thema oder Menschen zu ignorieren bzw. auszublenden, wenn man sich an ihm oder seinen Themen stört. Wie ich hier schon schrieb: Ignoranz ist eine Superkraft, keine Beleidigung.
Ich blende beispielsweise auf Threads und Mastodon gewisse Menschen oder Worte wie "Springer" und "Fussball" aus. Es beschränkt niemandes Meinungsfreiheit, wenn ich das tue. Vielmehr ist es Achtsamkeit für mich.
Dass jemand Inhalte für sich aus den via UberBlogr bereitgestellten RSS- oder Social-Feeds ausblendet ist vollkommen legitim. Es gibt die Funktion der personalisierten Darstellung bereits im Code von UberBlogr, sie ist nur noch nicht aktiviert.
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Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass jeder alles lesen muss. Oder jeder allem zustimmen muss. Meinungsfreiheit bedeutet, dass man alles sagen kann. Es schließt nicht mit ein, dass jemand zuhören muss. Es bedeutet hingegen aber, dass Menschen es kritisieren, dem nicht zustimmen, dich für einen Deppen halten oder dich danach ignorieren können. Damit muss man dann eben leben.
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UberBlogr ist ein Content-Verteiler, keine strenge Community. Der Webring als solcher hat weder Community-Funktionen noch Community-Regeln. Er hat aber auch keine Meinung, keine Agenda, oder irgend einen Algorithmus, der Bias verstärken könnte. Mir ist bewusst, dass Mitglieder aus verschiedenen Themengebieten, mit verschiedenen Ansichten im Ring sind – gerade die bunte Mischung, die es ist, sehe ich als Bereicherung an. Weil mich die Inhalte des Rings jeden Tag erneut über meine eigene Bubble hinaus tragen. Ich sehe keinen Grund daran etwas zu ändern.
Kann man trotzdem auf den Ton achten? Na klar. Aber das Ding ist ja auch: Jede:r Blogger:in ist Herr über das eigene Reich - ich kann da den Ton anlegen, den ich will. Und wenn jemand in einer Überschrift „Leckt mich“ schreibt, dann im gleichen Beitrag aber den Umgangston anderer Blogger anprangert, dann finde ich das ein bisschen lustig.
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Sowohl Oliver als auch Horst haben den Webring verlassen, weil sie mit der Diskussion um die ganze Gendersache nicht happy sind. Kommen und Gehen steht jedem Mitglied frei. Man muss das nicht mal episch begründen.
BERÜHMTE LETZTE WORTE
Alles muss heute ein Kulturkampf sein. Haltet doch einfach mal den Ball flach.
PS
Wer übrigens Dinge hat, die einen am Webring nerven, der kann mir jederzeit eine Mail schreiben. Manch einer wünscht sich Filter, manch einer sieht darin das Ende der Sinnhaftigkeit des Rings. So ist das manchmal. Grundsätzlich ist mein Mail-Postfach offen - da kann man gern Post hinschicken, wenn einen was an dem Projekt UberBlogr frustriert, man Vorschläge hat oder Kritik. Dass mir manch einer da in den letzten Tagen dann Mails schickt die förmlicher als der letzte Brief an den Vermieter sind, irritiert mich altes Internetmäuschen dann zwar mitunter, aber hey …
Das MacGuffin kannte ich bereits: Ein Gegenstand in einer Erzählung oder einem Film, der eine Handlung in Gang setzt, ohne dass dabei je geklärt wird, weshalb es eigentlich wichtig ist. Beim Herrn Buddenbohm nun bin ich über den Begriff Tschechows Gewehr gestolpert. Das wiederum ist im Grunde der Gegenentwurf zum MacGuffin: Demnach muss jedes Element in einer Handlung einen Zweck erfüllen – bei der Einführung oder später. Ham'wa wieder was gelernt.
André hat 'Was man von hier aus sehen kann' geschaut und ihm 2,5 von 5 Sternen geschenkt. Ich habe den Film auch geschaut - nach einem tollen Tag am Strand, einen wunderbaren Abend mit einer Flasche Wein auf dem Bett im Hotelzimmer lungernd. Und habe ihm (deshalb?) bei Letterboxd 5 Sterne gegeben. Deshalb solltet ihr euch einfach selbst einen Eindruck machen; bis 30. Juli 2025 gibt es ihn noch kostenlos in der ARD-Mediathek.
Das Messie-Syndrom ist eine Störung der Wertbeimessung. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, Wert und Nutzen von Gegenständen zu beurteilen und sie entsprechend zu behandeln.
In beiden Ansätzen sammelt man einfach alles, strukturiert es und hofft, oder denkt, oder nimmt an, dass man das alles mal wieder benötigt.
Bei Caasn habe ich heute von Joan gelesen – die hat ihren digitalen Zettelkasten nun komplett gelöscht, weil er sie erschlagen hat: „over time, my second brain became a mausoleum“.
Ich nutze Obsidian für meine Schreibarbeiten. Ich habe darin nicht einmal 70 Dateien.
Regelmäßig lösche ich Dinge. Mein Second Brain ist mein erstes, organisches Gehirn. Ich bin nicht der Typ, der sich massiv viele Notizen in Meetings macht. Ich bin nicht der Typ, der jede Notiz jahrelang aufhebt. Nicht jeder Gedanke muss bewahrt werden – das sehe ich jedes Mal, wenn ich durch die über 20 Jahre meines Blog-Archivs scrolle! 😂
Ich hebe recht wenige Dinge auf. In meinem Blog zum Beispiel liegen derzeit nur drei Entwürfe.
Und ich bin mir sicher, dass von den 70 Dateien in meinem Obsidian mindestens 20 schon wieder bereit sind, sich in die digitalen Jagdgründe zu verabschieden …
Wo ich lange digitaler Messie war: bei Links.
Ich habe Tabs über Tabs offen, habe einen eigenen Link-Speicher mit tausenden Links. Den habe ich vor vier Wochen abgeschaltet und bisher nicht 1x vermisst.
Auch eine ToDo App habe ich seit einer Weile nicht mehr.
Und lebe prima damit … zugegeben: Ich arbeite seit geraumer Zeit auch nicht mehr im sogenannten "Tagesgeschäft", was die Zahl meiner Mikro-Todos massiv verringert hat. Meist habe ich eher ein primäres Projekt und kann kleinere Aufgaben im Laufe eines Tages wegarbeiten.
Aber nach Jahren stellt sich – für mich! – jedenfalls raus: Mir reicht mein Gehirn.
Ich benötige kein Zweites.
Alles, woran ich mich erinnern will, ist meistens noch da. Für Obsidian habe ich gerade sogar ein kleines Plug-in entdeckt, dass Notizen nach einer Weile selbstständig löscht – muss ich mir direkt mal anschauen…
An Real-Welt-Ereignisse erinnere ich mich größtenteils via Foto.
Ich habe schon mehrfach angefangen, Tagebuch zu schreiben – und bald darauf wieder aufgehört. Manche Tage sind einfach langweilig. Mein Tagebuch basiert mittlerweile eher auf Basis von Fotos. Ein schöner Ort, ein schönes Erlebnis oder Essen: ich mache ein Bild. Und finde mich dann dabei wieder, durch diese zu scrollen. In den alten Tagebuch-Einträgen habe ich indes nie wieder geblättert.
Ja, Zettelkasten und Tagebuch sind ebenso wie ToDo-Listen eine höchst persönliche Angelegenheit. Die Dinge können helfen – um es sich einfacher zu machen, sich selbst zu strukturieren oder den Mental Load zu verringern. Und ich gebe zu: Manche Dinge verschwinden in meinem Kopf dann eben auch. So be it. Mir persönlich rangen all die Konzepte immer zu viel Struktur und Aufwand ab – und gemessen an dem, was sie mir dafür zurückgaben, war es mir das nicht wert.
Eine Wanderung, ein Lebenswandel, ein Bestseller.
Mit ihrem autobiografischen Buch „Der Salzpfad“ – und den beiden Folgebüchern – schrieb Raynor Winn ein inspirierendes Mut-Mach und Motivationsbuch. Und löste ganz nebenbei Europa einen kleinen Wander-Boom aus.
Im ersten Buch begeben sich Winn und ihr (tod-)kranker Mann nach dem Verlust ihres Hauses auf eine Wanderung entlang des South West Coast Path – und finden neben viele kleinen Geschichten auch sich selbst.
Der Salzpfad: Täter statt Opfer?
Nun wirft der britische Observer der Autorin vor, ihre Werke seien nicht ganz so der Wahrheit verpflichtet, wie Winn das seit Jahren behauptet. Weder seien Winn und ihr Mann unverschuldet und ganz so mittellos gewesen, wie beschrieben – vielmehr hätten sie Geld veruntreut. Noch sei ihr Mann so todkrank – Patienten mit seiner Krankheit lebten in der Regel nicht so lang. Und zum Schluß wäre – das wüsste bisher nicht einmal ihr Verlag – Raynor Winn überhaupt nicht ihr richtiger Name: Winns echter Name sei Sally Walker und der sei verbunden mit einer Geschichte, die zwar auch Verfilmungswürdig sei, aber eher für ein True-Crime-Drama taugt statt einer wholesome Geschichte des Sich-Findens.
Eine Bombe, die da platzt – mitten in den Kinostart der Verfilmung des Millionen-Sellers.
Aus dem Märchen wird eine Thriller
Ich habe „Der Salzpfad“ gern gelesen – es ist eine inspirierende Geschichte und eine schöne Beschreibung der Wanderung. Eigentlich freue ich mich auch auf die Verfilmung mit zwei meiner Lieblingsschauspieler – Gillian Anderson und Jason Issacs.
Stimmen die Vorwürfe des Observers nun jedoch dürfte das für viele Fans von Winn eine bittere Pille zu schlucken sein. Seit 10 Jahren steht die Autorin sinnbildlich dafür, sich durchzubeißen, zu motivieren, nie aufzugeben und den eigenen Traum zu leben.
Wenn nun zu Beginn ihrer ganzen Geschichte keine Notlage, sondern eher eine Flucht vor den Konsequenzen kriminellen Handelns steht, mit einem weniger kranken Mann und einer falschen Identität, bringt das einiges zum Einsturz. Da ist die sich aufdrängende Frage, wieviel Winn mit ihrem Mann eigentlich wirklich gewandert ist, eine weitere – wenn auch die wohl Kleinste.
Winn bestreitet die Vorwürfe natürlich, sagt im gleichen Atemzug jedoch ihre Lesetour ab. Es wird interessant zu sehen sein, ob sie ganz abtaucht. Was gerade noch ein perfektes Märchen war, zerfällt und dürfte auch der Verfilmung wenig gut tun an den Kinokassen.
Währenddessen lehnt unsere Wirtschaftsministerin eine Digitalsteuer ab und die Regierungen wischen die Neuauflage einer Vermögenssteuer immer wieder vom Tisch – weil man Vermögenswerte von Reichen eben nicht schätzen kann; klar. Die Arbeit ist die paar Milliarden einfach nicht wert. Über so fancy Dinge, wie die Besteuerung von Robot- und KI-Arbeit unterhalten wir uns nicht einmal – Unternehmen, die zunehmend Arbeiter durch Roboter ersetzen dürfen die Einsparungen einfach behalten, während die verbleibenden Arbeitnehmer eben die Sozialabgaben der wegfallenden Kollegen kompensieren müssen. Kann man nichts machen! ¯\_(ツ)_/¯
Dieser Beitrag könnte Spuren von Zynismus enthalten.
„Haben wir den keine anderen Probleme“, ist der Gnadenschuss einer jeden Diskussion in der man meint ein Thema hätte in einer überkomplexen Welt kein Grund diskutiert zu werden.
Dabei verkennt der/die Kommentierende, dass sich Menschen nicht nur monotheistisch mit der Welt beschäftigen. Ich kann das Klimaproblem oder den Krieg in der Ukraine nicht beenden. Deshalb beschäftige ich mich tagsüber durchaus mit Themen, die mir persönlich darüber hinaus wichtig sind. Gleichberechtigung (in der Sprache und im Alltag), Marketing-Strategien (für den Kunden), das Aussehen meines Blogs, meine persönliche Echauffierung über Jens Spahn, die Frage nach der Sinnhaftigkeit von KI-Bildern in Blogs - solche Dinge. Banale Dinge für die eine, zum Browser-Tab-schließen animierende Themen für andere.
Aber ich sag es mal so: Tja.
Ich persönlich beschäftige mich mit vielerlei Themen im Alltag. So verlange ich das zum Beispiel dann auch von der Politik. Wenn also mal wieder ein Thema diskutiert wird, das mich nicht tangiert, dann zucke ich mit den Schultern und lese die nächste Headline.
Kein Grund für mich das Abo der ZEIT zu kündigen oder die Tagesschau zu ignorieren, weil sie gendert (oder in meinem Fall eher, weil sie es ggf. nicht tut).
Ignoranz ist nicht zwangsläufig etwas Negatives, sondern ab und an eine Gabe.
Ansonsten hätte ich mit meinem Leben in Sachsen-Anhalt wirklich zu hadern.
Haben wir keine anderen Probleme?
Doch, jede Menge. Aber es gibt keinen Grund, einem Thema die Wichtigkeit entziehen zu wollen, nur weil es einem nicht in den Kram passt.