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20. Dezember 2025

Politik in Deutschland: fehlende Strategie, fehlende Vision

Friedrich Merz redet gern. Davon, wie böse die Welt, wie faul die Deutschen, und wie schlecht es der Wirtschaft geht. Sein liebstes Feindbild: Grüne Umwelt- und Wirtschaftspolitik.

Mich fasziniert seit Jahren, dass sich Konservative stets auf die Heimat und den Stolz darauf berufen, für deren Schutz in der Zukunft aber nichts tun (wollen).

Schönstes Beispiel ist das 'Verbrenner-Aus-Aus'. An Quatschigkeit eigentlich nicht zu überbieten – und an Wirtschaft ebenso wie Klimaschutz ein vollkommen falsches Signal.

Das Lieblingsnarrativ von (rechts-)Konservativen: Klimaschutz gefährdet die Wirtschaft.
Und das können wir natürlich nicht zulassen – schließlich ist der Erhalt unseres Wohlstands wichtiger als eine Welt, die in 50 Jahren für unsere Kinder und Enkel noch bewohnbar ist.

Politische Aufgabe ist nicht, fossile Geschäftsmodelle künstlich zu erhalten, sondern neue zu ermöglichen.
– Claudia Kemfert vom DIW.

Dabei zeigt ein Blick auf mehrere Studien das Gegenteil: Klimaschutz kostet Geld – ja. Aber er kann auch einen positiven Effekt auf die Wirtschaft haben.

Allerdings: Was es dazu bräuchte – für Investoren, Wirtschaft und Bevölkerung – wäre eine Strategie, sowie eine positive Erzählung. Und da sind wir beim großen Problem: Strategien, vor allem politisch und wirtschaftliche – funktionieren nicht in Vier-Jahres-Zyklen. Und keinem ist daran gelegen, dass der heute ausgetüfftelte Plan dem politischen Gegner in 10 Jahren nützt. Versteht der dumme Wähler eh nicht.

Und deshalb entsteht etwas wie eine politische Vision überhaupt nicht mehr.

Deutschland, sagt Forscherin Florence Gaub (Geschenklink) in einem anderen Interview, weiß eigentlich nur, was es nicht will.

Was wir nicht wollen, können wir auswendig erzählen: Wir wollen keinen Krieg. Wir wollen keine Klimakatastrophe. Wir wollen keine KI. Wir wollen keine AfD. Aber was wollen wir denn? Dass alles so bleibt, wie es ist? Das ist doch keine Zukunft.
– Florence Gaub

Für die NATO entwickelt Gaub Zukunftsszenarien. Die Deutschland sei primär eigentlich nur, was man NICHT WILL. Hingegen fehle es vollständig an einer Idee, was man eigentlich will.

Ich bemängele das Fehlen einer politischen Vision schon seit Jahren.
Weder Olaf Scholz noch Friedrich Merz könnten dir – außer mit Phrasen – erzählen, wie sie sich Deutschland 2050 vorstellen. Führende Nation für E-Fuels, hätte Christian Lindner vielleicht noch geantwortet.
Wo liegen eigentlich unsere Stärken im Jahr 2050?
Womit verdienen wir Geld? Was wollen wir erreichen?
Für was soll ein 18-jähriger, jetzt Wehrpflichtiger, eigentlich kämpfen? Klimaschutz, Gleichberechtigung, besser Bildung, ein gerechtes Sozialsystem – das ist's ja offensichtlich nicht?

Es geht nicht darum, zu formulieren, Deutschland noch 3 Jahre länger auf Platz 3 der erfolgreichsten Industrienationen zu haben. Ebensowenig, wie es bei persönlichen Neujahrsvorsätzen darum gehen sollte,  'mehr Sport' oder 'weniger Rauchen' zu tun. „Es geht nicht ums Abnehmen oder darum, nicht mehr zu rauchen, sondern darum, wie man sein Leben verbringen will“, formuliert es Gaub am Ende ihres Interviews. Und das finde ich toll. Das ist nicht nur ein guter Rat, wie man Neujahrsvorsätze formulieren sollte. Es wäre auch einmal eine Aufgabe für Friedrich Merz: Zur Neujahrsansprache wäre das vielleicht mal ein Bild, dass es zu zeichnen Wert ist. Wird aber natürlich nicht kommen – wie könnte man das auch von jemandem verlangen, der nur aufgrund eines gekränkten Egos Kanzler werden wollte.

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23. Oktober 2025

MRZ und das Stadtbild

Ich will eigentlich gar nichts mehr zu Merz' unsäglichem Ausfall sagen. Ich habe auf Threads dazu in den letzten Tagen genug geschrieben – und doch will ich an dieser Stelle noch einmal festhalten: Ich halte Merz' rassistische Aussage ist der Tiefpunkt eines Kanzlers. Zweimal impliziet zu erzählen, dass 'nicht-weiße Menschen' ein „Problem im Stadtbild“ seien, nährt das rechtsradikale Narrativ der AfD – der Partei, die Merz vor 10 Jahren mal noch halbieren wollte, und mittlerweile von ihr rechts überholt wurde.

Merz' 1. Aussage (YouTube)
Übersicht der Kritik (MDR, Spiegel)
Merz' 2. Aussage (Deutsche Welle)
Merz' kritisiert Demos gegen seine Aussage (ZDF)
Merz' Korrektur (ZEIT)

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14. September 2025

Memes, ein Attentat und die politisch Rechte

EINLEITUNG

Ich schreibe werktäglich einen Newsletter zum Thema Social Media: sieben:30.

Nach dem tödlichen Attentat auf den rechten Influencer Charlie Kirk und der Festnahme des Attentäters entbrennt ein Kampf um die Deutungshoheit. Die Ermordung ist eng mit Memes, sich radikalisierenden Gruppen in Online-Foren und Social Media verknüpft.

Die folgenden Zusammenfassungen und Links habe ich trotz ihrer thematischen Nähe zu Social Media und der Online-Kultur nicht in den Newsletter aufgenommen. Die Menge an Informationen und das Thema Gewalt wollte ich meinen Leser:innen nicht aufzwingen. Ein Dilemma, aber ich hoffe diese Variante funktioniert für jede:n.

Die Einordnung des Falls ist kompliziert. Sowohl die Trump-Administration, wie auch andere Vertreter der sowohl rechts- als auch links-politische Lager versuchen den jeweils anderen zu übertönen. An dieser Stelle veröffentliche ich absichtlich nicht den Namen des zwischenzeitlich gefassten, mutmaßlichen Täters.

EIN GANZ NORMALER JUNGER MANN

Aktualisierung vom 17.09.2025
Das FBI hat einen Chatverlauf des Attentäters mit seinem Mitbewohner veröffentlicht. Aus diesen geht hervor, dass sich der Attentäter wohl weniger einer linken oder rechten politischen Richtung zuordnen lässt – sondern eher einer politischen Mitte, die zunehmend einen Druck spürt, den der aufgebaute Hass überfordert.

Die Verbindungen zur Alt-Right-Bewegung lassen sich in der Form wohl nicht belegen. Ebensowenig wie die zu einer linken politischen Bewegung. (YouTube)

Der folgende Text ist vom 14. September – er dokumentiert den Status Quo vor der Veröffentlichung und ist durch die obigen Erkenntnisse überholt.

WENN MEMES EIN MANIFEST WERDEN

🇺🇸 Nach dem Attentat auf den rechten Influencer Charlie Kirk tobt weltweit ein Krieg um dessen Deutungshoheit.
War der Täter Links oder Rechts?

👈 Donald Trump, dessen MAGA-Bewegung und selbst manch deutscher Politiker, sehen in dem Attentat eine von der politisch Linken motivierte und durchgeführte Tat. Journalisten und Kritiker, die daran zweifeln oder Kirk kritisieren werden unter Druck gesetzt oder aus den Medien verdrängt. (SPIEGEL)
Am Sonntag verbreitet Elon Musk auf X einen Beitrag, laut dem der Attentäter einer 'linken Terrorzelle' angehört und mit einem Transgender-Partner zusammengelebt habe. Eine Information, die der republikanische Gouverneur von Utah, Spencer Cox, später gegenüber NBC wiederholte. (@ElonMusk auf X, New York Times)

⚫️ Ob der Täter politisch links oder rechts war ist ungeklärt. Er äußert sich bisher nicht, entstammt jedoch einem republikanischen Umfeld. (tagesschau)
Recherchen legen nah, dass er einer radikal-rechtspolitischen Gruppe angehörte, denen das Opfer Charlie Kirk nicht radikal genug war. Gefundene Patronen aus der Tatwaffe zitieren Memes, die linkspolitisch wirken, aber schon seit Jahren als Codes in rechtsradikalen Kreisen genutzt werden. (Der Standard)

⚪️ Der Attentäter könnte ein Anhänger Nick Fuentes' und seiner 'Groyper Army' gewesen sein – einer Gruppe, die sich vor allem online formiert und selbst in Frauen 'das Böse' sehen. (Sascha Pallenberg auf YouTube, Belltower News (von 2022 über Fuentes))

➗ Der Kampf um die Deutungshoheit zeigt nicht nur eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, sondern auch den doppelten Boden rechter Memes – vieles ist anders, als es auf den ersten Blick scheint. Aus sozialistischen Arbeiterliedern oder der Bezeichnung 'Faschist' werden im Kontext von Spielen, Online-Plattformen oder Kommentaren plötzlich nationalistische Codes.

👶 Nicht nur rechts­extremistische Gruppen rekrutieren ihre immer jünger werdenden Anhänger heute mit Memes. Und Manifeste sind keine seitenlangen Aufsätze mehr, sondern – wie im Falle Kirks – Kürzel, Akronyme und Memes auf Patronenhülsen. (DIE ZEIT (€))

ELON MUSK SPRICHT AUF NATIONALISTISCHER DEMO IN LONDON

🇬🇧 Derweil folgen über 100.000 Menschen dem Aufruf des britischen Rechten Tommy Robinson – sie demonstrierten am Samstag in London. Auf dem Marsch waren nicht nur Plakate mit 'RIP Charlie Kirk' zu sehen. Bei der Kundgebung ließ sich auf Elon Musk live zuschalten, behauptet wiederholt in UK gäbe es keine Redefreiheit, rief indirekt zu Gewalt auf und verteufelte die Linke: „Es gibt so viel Gewalt in der Linken, etwa die brutale Ermordung unseres Freundes Charlie Kirk diese Woche und wie es die Linken feierten. Die Linke ist die Partei von Mord und der Feier von Mord.“ (tazThe Guardian, Musk-Video auf X)

WEITERE LINKS


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Letzte Aktualisierung 15. September 11:00 Uhr

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10. September 2025

Übermalen von Hakenkreuzen nicht per se strafbar

Unter bestimmten Umständen ist das unbefugte Übermalen von Hakenkreuzen nicht strafbar. In einem Urteil (Az 37 Cs 301 Js 8329/25.) betonte das Göttinger Amtsgericht, dass es sich beim Übermalen nicht um Sachbeschädigung handele. Dies gelte umso mehr, wenn „offensichtlich verfassungswidrige Inhalte, die vom Eigentümer zu entfernen waren, Gegenstand der (ersten) Beschmierung sind“.

Im konkreten Fall hatte das 'Bündnis gegen Rechts' Hakenkreuze auf einem Haus mit lila Herzen übermalt und war von der Hausverwaltung dafür verklagt worden.

Das ist indes kein kompletter Freifahrtschein. Schon 2007 hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages ausgearbeitet (PDF), dass auch das Übermalen oder Entfernen eines Hakenkreuzes eine Sachbeschädigung seien kann. Dies gelte insbesondere, wenn dadurch die Sachbeschädigung größer wird oder die Entfernung aufwändiger.

Man sollte also auf die Verhältnismäßigkeit achten.
Und nun viel Spaß da draussen! 😉

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9. September 2025

4. September 2025

In 367 Tagen sind Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt

In 367 Tagen sind in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen.
Und in der neusten Umfrage kommt die AfD mit 12 Prozentpunkten Vorsprung als stärkte Kraft ins Feld.

Ja. Es sind "nur" Umfragen. Trotzdem.

Währenddessen diskutieren wir noch immer über ein Verbotsverfahren der schon seit Längerem in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD. Ich befürchte allerdings, dass das Problem hier in Sachsen-Anhalt nicht lösen wird.

Weil dann irgend eine Partei wie das Bündnis Deutschland einen gewissen Platz einnehmen wird.

Weil 367 Tage für ein Verbotsverfahren nicht ausreichen werden. Und sollte die AfD wirklich so einen Vorsprung heraus holen, wird es keinen Weg an einer Minderheitsregierung mit AfD-Ministerpräsident vorbei geben …

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2. September 2025

„Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten“

… kann ich nicht mehr hören. Merz' CDU tritt kräftig nach unten, findet die Diskussion um eine Vermögenssteuer „ überflüssig wie ein Kropf“ und sucht trotzdem 30 Milliarden. Jetzt wäre die These steil, zu behaupten, es wären 6 Milliarden weniger, hätte es Jens Spahn nicht gegeben – aber man fragt sich halt eben schon, wieso Spahn eigentlich noch irgendwas zu sagen hat, während der Bürgergeldempfänger bangt, dass er sich das Toastbrot im Herbst noch leisten kann.


YouTube Direktlink

Ich lese die Schlagzeilen mit zunehmender Wut und Fassungslosigkeit. Der Klüngel und die Wirtschaft sind der CDU mittlerweile näher als die Bürger:innen. WIR sollen mehr arbeiten. WIR können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten. WIR … ich gehöre da mal nicht zum WIR. Was Merz eigentlich meint ist: ICH mag mir den Sozialstaat nicht mehr leisten, und IHR sollt mal mehr arbeiten.

Wobei ich als BWLer sowieso noch nicht verstanden habe, WAS ich eigentlich mehr arbeiten soll, wenn gar keine Arbeit da ist … Die 65.000 Entlassenen im Juli wurden ja nicht entlassen, weil die anderen Arbeitnehmer aufgrund von Merz' Brandreden plötzlich mehr gearbeitet haben. In Zeiten von Trumps wirrer Tarifpolitik, sinkenden Absatzzahlen in China und sparenden Bundesbürgern ist vielleicht einfach gar nicht genug Arbeit da für die lustige Fantasie der Vollbeschäftigung und Zwangsverpflichtung arbeitsunwilliger Mitbürger.

Das "Wir" in Merz ist billiger Populismus. Die CDU erklärt den Bürgergeldempfänger zum gemeinsamen Feindbild, in der Hoffnung, dem Deutschen liegt das näher als das AfD Feindbild des Ausländers. Dabei wäre ein gemeinsamer Nenner viel einfacher: Parteiübergreifend sind 70% der Deutschen für eine "Reichensteuer". Reiche verursachen in 90 Minuten so viel CO2 wie jemand armes im ganzen Leben. Eat the Richdie eigneten sich mal zum Feindbild. Aber klar, dann müsste sich der Friedrich natürlich eine Zielscheibe auf den langen Wanzt malen; wäre jetzt ja auch nicht vorteilhaft.

Immerhin: SPD-Arbeitsministerin Bas nannte die geplante Bürgergeld-Kürzung neulich "Bullshit" - und stellt sich dagegen.

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27. August 2025

Politische Ablenkungsmanöver

Dann hat Julia Klöckner diese Debatte vom Zaun gebrochen [indem sie die Regenbogenfahne auf und im Bundestag verbot] … ob mutwillig oder aus Dämlichkeit, weiß ich nicht. Aber nun können Politiker sich ereifern, Zeitungen können vollgeschrieben werden, man kann Talkshows damit bestreiten, alle können etwas sagen, aber die eigentlich realen Probleme bleiben unbearbeitet, die zentralen Herausforderungen, die ein Land zu lösen hat, werden nicht diskutiert. Dieses fetischhafte Wurstgefresse von Markus Söder ist ja keine Politik. Und es erfüllt dennoch einen Zweck. Es lenkt ab von den Gründen, die Menschen haben können, sich nicht gesehen und nicht mitgenommen zu fühlen.

Robert Habeck zieht sich aus dem Politik-Zirkus zurück und verteilt nochmal Backpfeifen.

Es ist ein Rückzug, der weh tun wird. Denn Habeck ist eine der letzten glaubhaften Figuren auf der politischen Bühne – eine der wenigen, denen die Sache wichtiger ist als er sich selbst. Machs gut, Robert.

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24. August 2025

23. August 2025

Finanzminister Lars Klingbeil denkt über eine Steuer für hohe Einkommen und Vermögenswerte nach. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann findet allein die Diskussion darüber „überflüssig wie ein Kropf“ … er diskutiert mit Chef Merz lieber weiter über die Kürzung von Bürgergeld und Sozialleistungen.

23. August, 08:45 Uhr ↦